Mönchengladbach Peter Potz druckt mit den Ohren

Mönchengladbach · Die Druckerei Potz in Dohr wird 90 Jahre alt. Die Enkel des Gründers führen den Betrieb fort, sie sind in der Druckstube groß geworden. Der Drucker hat so viel Routine, dass er hören kann, wenn die Maschine nicht gleichmäßig arbeitet.

 Peter Potz führt die Druckerei des Großvaters fort. Mit im Betrieb arbeiten seine Schwester Anne Schmitz und seine Partnerin Rosaria Messina.

Peter Potz führt die Druckerei des Großvaters fort. Mit im Betrieb arbeiten seine Schwester Anne Schmitz und seine Partnerin Rosaria Messina.

Foto: Detlef Ilgner

Peter Potz druckt mit den Ohren, wie er sagt. Er höre, wenn seine Heidelberger "nicht gleichmäßig schnurrt". Gerade ist die Maschine mit einem Flyer beschäftigt für die Evangelische Kirche im Rheinland. Der 51-Jährige veranschlagt einen Tag, um die bestellten 3000 Exemplare ausliefern zu können: Druckplatten erstellen, Drucken, Trocknen, Schneiden. Ein paar Meter weiter sitzt seine Schwester an einer Heftmaschine. Ein Unternehmen aus Neuss hat Quittungsblöcke bestellt. Mit im Betrieb ist heute auch Peter Potz' Partnerin. Rosaria Messina übernimmt die gehefteten Blöcke, um deren Rücken mit Hilfe einer Fälzelmaschine zu verstärken.

Die Arbeit geht Hand in Hand. Wohin man sieht, Setzkästen und Papier. Neben der modernen Druckmaschine stehen in der Halle des Familienunternehmens noch eine Schneidemaschine und zwei schwarze Gebilde, die aus der Zeit gefallen scheinen: Ebenfalls Heidelberger, die eine von 1960 für DIN- A4-Drucke, die andere von 1950 für DIN-A3-Aufträge. Man sieht es ihr auf den ersten Blick nicht an, aber sie kann Dinge, die heute anderswo, im Internet oder in anderen Druckereien, nicht mehr machbar sind. "Der alte Tiegel kann stanzen: runde Löcher oder spezielle Formen", erklärt Anne Schmitz.

Ihre Augen strahlen, wenn sie erzählt: "Wir sind nicht im Laufstall groß geworden, sondern in der Papierkiste neben der Maschine. Wir hatten immer den Geruch von Papier und Farbe in der Nase." Die Leidenschaft, die Liebe und der Respekt, mit der die Familie Potz ihrem Handwerk begegnet, vermutet Rosaria Messina, "kann nur der begreifen, der in dieser Firma großgeworden ist."

Die Druckerei Potz in Dohr wird dieses Jahr 90 Jahre alt. "Unser Großvater, von allen der Alte Fritz genannt, hat in diesem Haus angefangen. In einem Zimmer, als Druckstube Potz", sagt Potz. Nach dem Krieg sei es dann in einer Garage mit der ersten Druckmaschine weitergegangen. Und schließlich wurde aus dem Gartengelände der Familie Potz die heutige Halle.

Die Verbundenheit mit dem Handwerk sei schon damals groß gewesen: "Mein Vater hätte fast die eigene Hochzeit verpasst, weil er noch Trauerkarten drucken musste. Weihnachten oder Familienfeiern waren nicht selten von ähnlichen Aufträgen unterbrochen", erzählt die Schwester des Druckers. Die Maschinen seien Tag und Nacht gelaufen: "Nachts wurde man wachgerüttelt, weil man die nächste Schicht übernehmen musste."

Gearbeitet wurde und wird für Vereine, Privatleute oder Unternehmen. Plakate, Einladungen, Visitenkarten, Broschüren. Als Hausdruckerei der damaligen Firma Bresges wurden auch Anhänger für Stoffballen hergestellt. Anne Schmitz zeigt auf ein Regal: "Da oben steht mein Maschinchen aus meiner Kindheit. Damit habe ich Ösen in die Anhänger gestanzt. Das waren Zehntausende." Ihre Lust auf die Werkstatt sei so groß, dass sie "früher als Stewardess zum Beispiel nach einem Flug aus Hongkong erst einmal in die Druckerei gegangen sei."

Peter Potz ist ein ruhiger, eher schweigsamer Mensch, der genau zuhört und sein Gegenüber abschätzt, bevor er spricht. Die Zeiten hätten sich geändert, sagt der Drucker, der den Betrieb nun in der dritten Generation führt: "Der Digitaldruck macht viel kaputt. Letterpress, Buchdruck oder Boston-Style, das ist Schwarze Kunst. Das würde ich gerne wieder mehr machen." Er erzählt von einer Klappkarte, bei der beim Öffnen ein Elefant aufsteht: "Das kann nur der alte Tiegel", und meint die fast 70 Jahre alte Maschine in seinem Rücken. Unmögliches möglich zu machen, diese Herausforderung nimmt er an, auch wenn ihn das eine schlaflose Nacht kostet. Das Schöne sei in dem Beruf, da sind sich alle drei einig, "am Ende sieht man das Produkt seiner Arbeit." Für 3M hätten sie einmal Tausende Würfel hergestellt, mehrere Helferinnen hätten tagelang nichts anderes getan.

Stolz ist er auf einen üppig mit Bildern ausgestatteten Band über die Kirche St. Andreas in Korschenbroich. Liebevoll blättert er in dem Buch. Die Arbeit sei sehr anspruchsvoll und herausfordernd gewesen, "die sich aber gelohnt hat." Man könne es sehen, anfassen, riechen. Papier sei ein wunderbarer Werkstoff, vor allem Bütten. Aber es könne auch ein Fluch sein, sagt Potz: "Wenn wir vor lauter Papier kaum durch den Betrieb kommen. Diese Mengen müssen für jeden Produktionsschritt neu in die Hand genommen und umgestapelt werden. Da tun abends die Finger weh."

Qualität ist für Potz Grundlage seiner Arbeit. Für ihn unerträglich: mit schmutzigen Fingern frische Druckerzeugnisse anzufassen oder auf einem Bogen verschmierte Farben zu sehen. Deshalb lässt er zwischen Druck und Schnitt gerne einen Tag, wenn nicht zwei, verstreichen, damit die Farbe trocken ist: "Das ist heute aber kaum noch wirtschaftlich." Er geht einen schmalen Grat zwischen Anspruch und Erfordernisse des Marktes. Auf Eines will er aber nicht verzichten, auf Sonderfarben: "Die mische ich selbst. Sie sind intensiver. Vollton. Und nicht aus kleinen Pünktchen zusammengestellt. Das kann man fühlen. Und das leistet kein Internetanbieter." Die ohnehin nicht preiswerter seien, wenn es um Sonderanfertigungen und Anspruchsvolles geht.

(akue)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort