Mönchengladbach Pakistans Marine hoch über dem Niederrhein
Mönchengladbach · Rheinland Air Service hat eine Passagiermaschine zu einem Patrouillenflugzeug für die pakistanischen Streitkräfte umgebaut.
Wer in der Nähe des Mönchengladbacher Flughafens eine hellgraue Maschine der pakistanischen Marine mit zwei Torpedos unter dem Rumpf in der Luft zu erkennen glaubt, der hat nicht etwa Halluzinationen, auch wenn die beiden Waffen nur harmlose Attrappen sind: Es handelt sich um ein See-Überwachungsflugzeug vom Typ ATR72-500. Es wird zurzeit bei "Rheinland Air Service GmbH (RAS)" umgerüstet und bis Ende April noch einige Testflüge durchführen, bevor es über dem Arabischen Meer zum Einsatz kommen wird.
"Umgerüstet" ist allerdings eine sprachliche Untertreibung: Aus einer ehemaligen Passagiermaschine der afrikanischen Air Botswana entsteht zurzeit "made in Mönchengladbach" ein hochmodernes Patrouillenflugzeug, dessen hochauflösende Beobachtungskamera allein eine Million Euro kostet, wie RAS-Geschäftsführer Walter Lange berichtet. "Im Hangar haben wir damit einmal in ein 15 Meter entferntes Büro gezoomt. Auf dem Wandkalender ließ sich noch sehr gut das Kleingedruckte lesen."
Eine zweite pakistanische ATR72 wird Anfang April zum Umbau in Mönchengladbach erwartet - ein Auftrag von insgesamt 55 Millionen Euro mit einer Option auf zwei weitere Maschinen. RAS hat sich auf die Wartung von ATR-Maschinen spezialisiert - ein französisch-italienisches Turboprop-Flugzeug für den Passagier- und Frachttransport, von dem weltweit rund 1200 Exemplare unterwegs sind. So arbeiten in den beiden großen Hallen von RAS am Gladbacher Flughafen Techniker gerade an ATR der Air-France-Tochter Hop und einer mongolischen Fluggesellschaft.
Der Gast aus dem fernen Südasien parkt unterdessen in einem streng abgeschotteten Bereich in Hangar 2, nur das knapp acht Meter hohe Leitwerk am Heck mit der grün-weißen Flagge mit Halbmond und Stern schaut über die Umzäunung heraus. Schon von außen ist teilweise zu sehen, was RAS in Zusammenarbeit mit der Firma Aerodata aus Braunschweig ein- und umgebaut hat: Am auffälligsten ist eine mächtige schwarze "Beule" unter dem Rumpf, in der die Spezialisten ein Radargerät von mehr als 370 Kilometer Reichweite untergebracht haben. Außerdem sind zehn handballgroße Radar-Warnantennen rund um die Propellermaschine zu erkennen. Sie sollen anfliegende radargesteuerte Raketen erfassen und ihre Abwehr durch ausgestoßene Täuschkörper einleiten.
Im Innern erinnern nur noch einige Gepäckfächer an das ehemalige Zivilflugzeug: Noch unter Schutzüberzügen verborgen, fallen sofort vier Computer-Arbeitsplätze ins Auge: Von hier aus werden Soldaten künftig die Küstengewässer ihres Landes überwachen. Im Heck hat RAS eine eigens konstruierte Abwurfanlage für bis zu 36 Sonar-Bojen installiert. Sie können abgeworfen werden, um durch Schallwellen getauchte U-Boote aufzuspüren.
25.000 Arbeitsstunden haben die Techniker bislang investiert, auch eine Satelliten-Kommunikationsanlage gehöre zu der Hightech-Ausstattung, erläutert Projektleiter Andreas Leikam. Drei pakistanische Offiziere begleiten das Programm von einem Bürocontainer in der Halle aus. Für das umfangreiche Projekt musste RAS Kontakte zu Herstellern in Großbritannien, Frankreich, den USA, Italien und Australien aufbauen.
Die Auswirkungen der neuen Gewichtsverteilung und den Veränderungen am Außenrumpf auf das Flugverhalten seien bereits im Computer berechnet worden. Das ersetze aber nicht die realen Testflüge, betont Lange. Sie würden ausschließlich über deutschem Boden im Luftraum über Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und vor der Ostseeküste Schleswig-Holsteins durchgeführt.
Außerhalb des Sicherheitsbereichs steht eine weitere, noch unlackierte ATR aus Pakistan. Sie soll vorrangig zum Transport genutzt werden, fällt also nicht unter den Geheimschutz. Draußen parken mehrere alte ATR. Sie hat RAS als Ersatzteillager gekauft. In den beiden großen Hangars geht es unterdessen lebhaft zu: Zurzeit werden in Mönchengladbach insgesamt acht ATR gewartet, dazu kommt der Geschäftsfliegerbereich mit futuristisch anmutenden kleinen japanischen Honda-Jets oder zweimotorigen Piaggio P-180 "Avanti", darunter ein Ambulanzflugzeug aus Polen. Sie werden dem C-Check, der vorgeschriebenen großen mehrmonatigen Wartung, unterzogen.