Mönchengladbach Muslimin von christlicher Schule verwiesen

Mönchengladbach · Die Eltern einer Drittklässlerin aus Mönchengladbach klagen gegen das Land NRW. Die evangelische Grundschule hatte die neunjährige Muslimin nicht — wie von den Eltern beantragt — vom evangelischen Religionsunterricht freigestellt.

 Zeynep (9) besucht bis zur rechtlichen Klärung weiter die evangelische Grundschule an der Pahlkestraße. Vom Religionsunterricht ist sie solange befreit. Ihr Vater holt sie zweimal pro Woche vor den Stunden ab und bringt sie danach zurück.

Zeynep (9) besucht bis zur rechtlichen Klärung weiter die evangelische Grundschule an der Pahlkestraße. Vom Religionsunterricht ist sie solange befreit. Ihr Vater holt sie zweimal pro Woche vor den Stunden ab und bringt sie danach zurück.

Foto: Markus Rick

Stattdessen sprach die Schulleitung einen Schulverweis aus.

Zeynep besucht die dritte Klasse der evangelischen Grundschule Pahlkestraße in Mönchengladbach-Rheydt. Die Neunjährige ist Muslimin, genau wie ihre Eltern und ihre zwei Schwestern. Nach einem Umzug der Familie entschieden sich ihre Eltern für die nur 300 Meter entfernte Konfessionsschule. "Wir sind davon ausgegangen, dass die muslimischen Kinder automatisch vom Religionsunterricht befreit werden", sagt Zeyneps Vater. Doch das Gegenteil war der Fall: Die 75 muslimischen Kinder besuchen mit den 212 anderen Schülern den Religionsunterricht und Gottesdienste.

Als Zeyneps Eltern ihre Tochter wenige Wochen nach Beginn des Schuljahres vom Religionsunterricht befreien lassen wollen, lehnt das die Schulleitung nach Rücksprache mit der Schulaufsicht und der Bezirksregierung ab. Nach einem Widerspruch der Eltern spricht sie einen Schulverweis aus. Jetzt haben die Eltern Klage gegen das Land Nordrhein-Westfalen eingereicht. Der Fall könnte ein Präzedenzfall werden, sagen Experten.

Bisher gilt in NRW: Jedes Kind hat das Recht, nicht am Religionsunterricht seiner Schule teilzunehmen. Dafür brauchen die Kinder eine schriftliche Erklärung ihrer Eltern, ab 14 Jahren dürfen sie die Entscheidung selbst treffen. "Konfessionelle Schulen aber sind ein Ergänzungsangebot", erklärt Klaus Spenlen, Bildungsforscher mit dem Schwerpunkt Islam. "Die Leiter katholischer oder evangelischer Schulen gehen daher davon aus, dass Familien, die ihre Kinder dort anmelden, mit einer konfessionellen Erziehung ihrer Kinder einverstanden sind." Entsprechend könnten sie auch auf die Teilnahme der Schüler am Religionsunterricht bestehen.

So sieht es auch das NRW-Schulministerium. "Wir tragen die Entscheidung der für Mönchengladbach zuständigen Schulaufsicht mit", erklärt eine Sprecherin. Zumal die nächstgelegene städtische Grundschule nur etwa drei Kilometer von der Wohnung von Zeyneps Familie entfernt liegt.

Der Türkische Elternverein Mönchengladbach, der die Klage unterstützt, ist anderer Meinung: "Was die Schule macht, ist rechtlich nicht in Ordnung", sagt der Vorsitzende des Vereins, Levent Ulus. Eltern müssen frei entscheiden können, aus welchen Gründen sie ihr Kind an einer Schule anmelden. 15 weitere Familien hätten sich bereits bei ihm gemeldet, die auch nicht mehr wollen, dass ihre im Glauben des Islam erzogenen Kinder am christlichen Religionsunterricht der Schule teilnehmen.

Seitdem Schulen gesetzlich verpflichtet sind, ein eigenes Programm und Profil zu erstellen, haben sich nicht nur in Mönchengladbach viele Konfessionsschulen auf ihre christlichen Werte konzentriert, weiß man bei der Schulaufsicht. Früher hätten viele Schulleiter nicht so genau hingesehen, in Zeiten sinkender Schülerzahlen würde man sich wieder auf die Pflichten besinnen. Dazu gehöre auch die Teilnahme am Religionsunterricht, der Besuch von Gottesdiensten und die Beteiligung an traditionellen Festen wie zum Beispiel Adventsfeiern. Zum Angebot gehören aber auch Herkunftssprachenunterricht unter anderem in Türkisch und Sprachförderung in Deutsch für Kinder mit Migrationshintergrund.

Muslimische Familien möchten ihren Kindern ermöglichen, religiöse Grundhaltungen auch im Schulalltag umzusetzen, sagt Bildungsforscher Spenlen. Es gibt die Diskussion um das Kopftuch, in Berlin stritt ein Schüler gerichtlich für einen Gebetsraum, in Rheinland-Pfalz wurde eine Lehrerin entlassen, weil sie ihren muslimischen Schülern versehentlich Schweineschnitzel ausgegeben hatte. "Seit der Jahrtausendwende stellen wir in Untersuchungen fest, dass die Identitätsbildung bei muslimischen Jugendlichen zunehmend über Religion funktioniert", erklärt Spenlen. "Hier werden Grenzen ausgetestet."

Zeynep besucht bis zur Klärung vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf weiter die evangelische Grundschule — ohne am Religionsunterricht teilzunehmen. Sie würde gern an der Schule bleiben, hat viele Freunde dort. "Ich habe nichts gegen evangelische oder katholische Religion", sagt Zeyneps Vater. Von ihrer Wohnung aus kann die Familie direkt auf die evangelische Kirche in Rheydt blicken. "Wir wären sonst nicht hierher gezogen. Aber wir möchten unsere Kinder muslimisch erziehen. Sie sollen zunächst unseren Glauben kennenlernen. Wenn sie älter sind, können sie andere Religionen entdecken."

(RP)
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