Serie Gladbacher Lesebuch (22) Montags wurde die "große Wäsche" gemacht

Mönchengladbach · Diese Folge des Lesebuchs erzählt von einer Waschküche und dem Geruch einer Apfelsinenschale. Ein Gedicht handelt von Reibekuchen.

 So sah es früher in Waschküchen aus. Die Heimatstube Waldniel hat in ihrem Museum eine nachgebaut.

So sah es früher in Waschküchen aus. Die Heimatstube Waldniel hat in ihrem Museum eine nachgebaut.

Foto: Busch

"Nä, nä wat wohr dat dann fröher en superjeile Zick, met Tränen en de Oore lur esch manschmol zoröck." So sang die Kölner Band "Brings" vor einigen Jahren, und viele singen den Song noch heute nostalgiebesoffen und zutiefst gerührt mit. Wie ein Stück Alltag der "superjeilen Zick" aussah, nämlich die Wäsche für die ganze Familie zu waschen, will ich hier schildern. Die Waschküche und die "große Wäsche" in unserer Wohnung an der Engelblecker Straße sind mir noch klar im Gedächtnis, denn dafür war ein ganzer Arbeitstag vonnöten, deshalb auch der Begriff "große Wäsche". Kleinigkeiten, wie Kalt- oder Feinwäsche, wusch Mutter zwischendurch in einer Waschschüssel oder im Waschbecken in der Küche.

Großwaschtag war bei uns der Montag. Schon am Sonntagabend weichte Mutter in der Waschküche im Keller die Wäsche in einem großen Betonbecken ein. Das Vorwaschmittel war "SIL" von Henkel. In dieser Lauge blieb sie über Nacht. Auch das Anheizen des Wassers im Waschkessel geschah schon sonntagabends. Damit das Feuer während der Nacht nicht ausging, wurden ein oder zwei Braunkohlebriketts dick mit nassem Zeitungspapier umwickelt und in die Glut gelegt. Der Kochkessel bestand aus einem großen, kupfernen Topf, in einer Betonröhre eingelassen. Unter dem Kessel lag die Feuerstelle, mit einem Rost versehen, durch den die Asche in den darunter liegenden Kasten fiel. Der war zum Ascheentsorgen mit einer eigenen Stahlklappe versehen. Wegen der Feuerstelle hatten Waschküchen auch immer einen Kaminanschluss. Montagmorgens begann bei uns der Waschtag mit dem Wiederanfachen des Feuers. Aus der eingeweichten Wäsche wurde die Kochwäsche aussortiert und in den großen Kochkessel umgepackt. Das war schon echte Knochenarbeit, denn so ein Bettbezug oder eine Wolldecke, vollgesaugt mit Wasser, wog schon einige Kilo!

Während das Feuer unter dem Kessel munter knisterte und die Wäsche vor sich hin dümpelte, um endlich aufzukochen, wurde die Kaltwäsche gewaschen. Dazu kam sie in die Waschmaschine. Diese bestand aus einem großen runden Holzbottich, die Wand aus Holzdauben hielten außen Eisenringe zusammen. Im schweren, aufklappbaren Holzdeckel befand sich die Waschmechanik, bestehend aus vier kreuzförmig auf einer gemeinsamen Welle senkrecht montierten gleichförmigen Holzbrettern mit großen Löchern darin. Die Welle trat nach oben durch den Deckel aus und endete in einem Zahnrad. In dieses passte ein Zahnkranz, der mit einem Holzstab manuell in Hin- und Herbewegungen versetzt werden musste. So brachte man das Wasser in Bewegung und die Wäsche wurde gewaschen. Oft verrichteten mein Bruder Peter und ich diese Arbeit gemeinsam. Wir standen uns gegenüber, der eine zog an dem Holzgriff, der andere drückte, und umgekehrt.

 Ein Luftaufnahme von Neuwerk im Jahre 1960. Wenn man genau hinschaut, sind in den Gärten zahlreiche Wäscheleinen mit weißer Wäsche zu erkennen.

Ein Luftaufnahme von Neuwerk im Jahre 1960. Wenn man genau hinschaut, sind in den Gärten zahlreiche Wäscheleinen mit weißer Wäsche zu erkennen.

Foto: Sammlung Bernhard Büdts

Dann ließen wir das schmutzige Waschwasser aus der Waschmaschine ab und füllten die Wäsche zum Spülen in das Betonbecken, das schon am Vorabend zum Einweichen diente. Alles war natürlich wieder Handarbeit. Ich glaube nicht, dass meine Mutter gern an diesen Teil der "superjeilen Zick" zurückdenken würde, weilte sie noch unter uns Lebenden. Nach dem Ausspülen des Restwaschwassers aus der Wäsche wurde sie gemangelt. Die Mangel bestand aus zwei langen Gummiwalzen, dicht übereinander waagerecht montiert, mit einem Zahnradgetriebe verbunden, so dass sich diese gegeneinander drehten. Den Abstand der Walzen konnte man individuell einstellen. Das hing ganz vom Wäschestück ab. Bekanntlich ist ein Taschentuch ja dünner als eine Wolldecke. Auf einer Walze steckte seitlich ein Griff. Den bedienten wechselweise Peter oder ich. Meine Mutter führte die triefnasse Wäsche zwischen die sich gegenläufig drehenden Gummiwalzen ein und das Wasser quetschte heraus. Daher kommt übrigens das Sprichwort "In die Mangel nehmen".

Vom Wasser weitestgehend befreit, wurden die Wäschestücke in den Wäschekorb gelegt. Mit der Wäsche im Korb ging es in den Garten. Zum Trocknen gab es Wäscheleinen aus Draht, die bei uns zwischen Metallpfählen entlang des Gartenweges gespannt waren, eine oben und eine in der Mitte. Die konnten wir Kinder gut erreichen. Daran hängten wir kleinere Wäschestücke. Die obere Leine, die nur Mutter erreichen konnte, war für Bettlaken, Bettbezüge, Tischdecken, halt alles, was groß war, bestimmt. Das war damals fast in allen Gärten so. Nicht nur in Neuwerk, sondern in der ganzen damaligen Bundesrepublik. Vor dem Wäscheaufhängen reinigte Mutter mit einem feuchten Tuch den Draht. Der war ja einige Tage nicht benutzt worden und sollte die frisch gewaschene Wäsche nicht direkt wieder verschmutzen. Die Wäscheklammern aus Holz bewahrten wir in einem speziellen Behältnis auf: in einem Klammerbeutel.

Im Sommer wie im Winter wiederholten sich diese beschwerlichen Arbeitsabläufe immer wieder. Im Sommer machte uns die Hitze zu schaffen, auch wenn der Waschküchenkeller relativ kühl war, im Winter war es die Kälte. Oftmals war es dann so neblig in der Waschküche, dass man fast nicht von der einen zur anderen Wand sehen konnte. Das lag an der großen Menge Wasserdampf, die durch die Kochwäsche freigesetzt wurde. Kalte Luft kann ja bekanntlich nicht so viel Feuchtigkeit binden wie warme Luft.

(RP)
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