Preise sind im Keller Mönchengladbachs Milchbauern rechnen ab

Mönchengladbach · Fast 30 Betriebe in Mönchengladbach haben Milchkühe in ihren Ställen stehen. Doch im Moment bekommen sie für ihre Milch so wenig Geld, dass es kaum zum Überleben reicht. Landwirt Andreas Pflipsen erzählt von seinem Knochenjob.

 Andreas Pflipsen kümmert sich auf dem Hof in Groterath um rund 85 Milchkühe - hinzu kommen weitere 80 Tiere in der Nachzucht.

Andreas Pflipsen kümmert sich auf dem Hof in Groterath um rund 85 Milchkühe - hinzu kommen weitere 80 Tiere in der Nachzucht.

Foto: Knappe Jörg

Jeden Morgen um spätestens 6 Uhr steht Andreas Pflipsen im Stall bei seinen 85 Kühen. Er treibt seine Tiere in den Melkstand, legt ihnen von Hand die Melkmaschine an. Danach kümmert er sich um die Futter-Produktion - Silage aus Mais und Gras, etwas Heu und Stroh aus eigenem Anbau - und wenn er damit fertig ist, wird ab etwa 18 Uhr wieder gemolken. So geht das jeden Tag. 365 Tage im Jahr. Melken alle zwölf Stunden. Kühe kennen keine Feiertage. Und so lange Pflipsen (40) für die rund 800.000 Liter Milch, die seine Tiere im Jahr geben, genug Geld verdient, ist er auch zufrieden mit seinem harten Job als Landwirt und Milchviehhalter. Im Moment aber verdient er so wenig dafür, dass alle zwei Tage der Tankwagen der Molkerei die Milch abholt, dass er sich gerade noch über Wasser halten kann, weil er viel spart. "Wenn das mit dem Milchpreis aber so weitergeht, kann man es sich irgendwann nicht mehr leisten", sagt Pflipsen, der seit 24 Jahren im Familienbetrieb arbeitet und ihn inzwischen weiterführt.

 Im Mai 2015 gab es 1215 Milchkühe in den Gladbacher Betrieben mit Rinderhaltung. Das sind im Schnitt 45 Tiere pro Betrieb. Aktuellere Zahlen liegen noch nicht vor.

Im Mai 2015 gab es 1215 Milchkühe in den Gladbacher Betrieben mit Rinderhaltung. Das sind im Schnitt 45 Tiere pro Betrieb. Aktuellere Zahlen liegen noch nicht vor.

Foto: Jörg Knappe

Mit Milch verdienen die Landwirte auch in Mönchengladbach im Moment so wenig Geld, dass es kaum zum Weitermachen reicht. Allein im Mai sind die Preise um 10,1 Prozent gefallen, hat IT NRW berechnet. Das betrifft in Mönchengladbach eine ganze Reihe an Bauern. Laut der letzten Erhebung vom Mai 2015 gibt es in der Stadt 27 Betriebe mit Milchkühen, die insgesamt 1215 Milchkühe in den Ställen stehen haben. Damit ist Gladbach unter den kreisfreien Städten in NRW auf Platz vier. Nur in Bottrop, Münster und Hamm gibt es mehr Milchkühe in Großstädten - und natürlich in den ländlichen Kreisen im Land.

"Wir haben wenig Flächen, deshalb brauchen die Landwirte Milcherzeugung", sagt Wolfgang Wappenschmidt, Vorsitzender der Kreisbauernschaft Neuss-Mönchengladbach. Der Chef der Gladbacher Landwirte macht vor allem die Überproduktion durch die aufgehobene Milchquote vor gut einem Jahr und die international gesunkene Nachfrage für das riesige Überangebot an Milch verantwortlich. Das nutzt der Lebensmittelhandel natürlich, um Preise zu drücken. Nach Russland wird nichts geliefert, und China hat auch lange Zeit Milchpulver von Gladbacher Bauern gekauft. Wappenschmidt, der die verkündete Nothilfe des Bundesagrarministeriums gestern mit großem Interesse verfolgte, ist überzeugt: "Der Markt wird sich wieder beruhigen. Aber wir müssen die Strukturen zur Milchproduktion erhalten."

Und das wird schwer: Bei einem Milchpreis von 40 Cent pro Kilogramm, wie ihn die meisten Landwirte als gut auskömmlich beschreiben, würde ein durchschnittlicher Milchbauer mit einer Produktion von 800.000 Litern im Jahr wie Andreas Pflipsen rund 330.000 Euro erlösen. Bei derzeit durchaus realistischen 25 Cent pro Liter sind es nur noch gut 200.000 Euro. Und viele Bauern, die keinen Vertrag mit einer Molkerei haben und an Erzeugergemeinschaften verkaufen, müssen mit viel weniger Geld rechnen. Da bleibt nicht viel übrig, um den Hof zu halten, das Personal zu bezahlen und selbst genug zu verdienen - eine Rechnung, die kaum aufgehen kann.

Andreas Pflipsen zieht nun erste Konsequenzen aus der Milchmisere. Eigentlich wollte er einen neuen Stall bauen mit modernerer Technik und mehr Platz für Kühe. Und er überlegt, einen Milchautomaten aufzustellen, damit Kunden immer frische Milch zapfen können. Beides geht derzeit nicht. "Wir haben alle Investitionen nach hinten gestellt."

(RP)
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