Fußgänger gestorben Ermittler rekonstruieren tödliches Autorennen in Mönchengladbach

Mönchengladbach · Zwei Raser liefern sich in der Gladbacher Innenstadt eine waghalsige Wettfahrt, dabei wird ein Fußgänger getötet. Ein Fahrer flüchtet, der andere ist nach seiner Festnahme bereits wieder frei. Der Bund will die Strafen verschärfen.

Mönchengladbach: Tödliches Autorennen in Tempo-40-Zone
Foto: Andreas Gruhn

Das Holzkreuz am Straßenrand trägt keinen Namen. Es lehnt an einem Bauzaun, zwei Kerzen und Blumen stehen daneben. Es erinnert an die Nacht von Freitag auf Samstag und an den 38 Jahre alten Fußgänger, der bei einem illegalen Autorennen in der Mönchengladbacher Innenstadt von einem 28-jährigen Schwalmtaler mit vermutlich hoher Geschwindigkeit angefahren und viele Meter weit geschleudert wurde. Der Mönchengladbacher, der gegen 23 Uhr mit Einkäufen in der Tasche offenbar auf dem Weg zu seiner Wohnung ganz in der Nähe war, hatte keine Chance. Er starb noch an der Unfallstelle — weil zwei junge Männer die Straße zu ihrer Rennstrecke machten und sich mit ihren hochmotorigen Autos einen gefährlichen Wettstreit mit waghalsigen Überholmanövern lieferten. So sieht es die Polizei.

Eine 20-köpfige Sonderkommission unter der Leitung von Hauptkommissar Ingo Thiel hat die Ermittlungen aufgenommen. Sie fahndete bis zum Abend erfolglos nach dem Fahrer eines silbernen Seat Ibiza, der ein Kennzeichen aus Viersen (VIE) oder dem früheren Kreis Kempen-Krefeld (KK) haben soll. Das Kennzeichen ist laut Polizei kurz, vermutlich mit nur einer Zahl. Bis zum frühen Sonntagabend blieb die Suche erfolglos.

Polizei wertet Videoaufnahmen aus

Videoaufnahmen aus einer Kamera (einer so genannten "Dashcam") in einem vorbeifahrenden Auto zeigen, wie der bis Sonntagabend noch immer flüchtige Fahrer des Wagens nach dem Aufprall auf der vierspurigen Straße wendete, noch einmal an der Unfallstelle vorbeifuhr und dann davonbrauste. Die Ermittler werten zahlreiche weitere Videoaufnahmen aus dem Streckenverlauf aus, um Klarheit über das gesuchte Fahrzeug zu erhalten. Und um das illegale Rennen durch Teile der Innenstadt so weit wie möglich rekonstruieren zu können.

Denn der 28-jährige Schwalmtaler, der mit seinem schwarzen Seat den Fußgänger erfasst hatte und der am Unfallort vorläufig festgenommen worden war, machte in seinen ersten Vernehmungen nur vage Angaben. Offen ist etwa, ob die beiden Fahrer sich kennen, sich zu dem Rennen verabredet hatten oder es spontan starteten. Ein Sachverständiger muss auch klären, wie schnell die Raser an der Unfallstelle waren. Der Schwalmtaler gab bei der Polizei an, er sei zwischen 60 und 70 Stundenkilometer gefahren. Zeugen berichteten hingegen von wesentlich höheren Geschwindigkeiten. Erlaubt sind an der Stelle 40 Stundenkilometer.

Gegen den Schwalmtaler läuft ein Strafverfahren, der Vorwurf lautet zunächst auf fahrlässige Tötung. Er wurde am Samstagmorgen wieder entlassen und von seinem Vater aus dem Polizeigewahrsam abgeholt. Es bestehe keine Fluchtgefahr, hieß es. Ungefähr zur selben Zeit informierten Polizeibeamte in Süddeutschland die Angehörigen des Opfers über den Tod ihres Sohnes und Bruders, der zunächst zum Studium nach Mönchengladbach gezogen war und dort auch seit einigen Jahren gearbeitet hat.

Köln gilt als Hochburg

Illegale Autorennen beschäftigen seit einigen Jahren immer häufiger Ermittler und Richter. Auch in Mönchengladbach gebe es hin und wieder solche spontanen Kräftevergleiche. "Aber wir haben die Problematik nicht so stark wie andere Städte", sagt Polizeisprecher Jürgen Lützen. Köln etwa gilt als eine Hochburg der verbotenen Rennen. In den vergangenen zwei Jahren waren dort bei drei Unfällen als Folge riskanter Wettfahrten zwei Menschen getötet und einer schwer verletzt worden. Aufsehen erregte auch das tödliche Ende eines Rennens im Februar 2016 auf dem Berliner Ku'damm. Mit Tempo 160 rammte einer der beiden Fahrer einen Jeep, dessen Fahrer (69) starb. Das Berliner Landgericht verurteilte die beiden Fahrer wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Der Richter sah das Mordmerkmal des "gemeingefährlichen Mittels" erfüllt — Sportwagen als Mordwaffe.

Andere Gerichte urteilten milder. In dieser Woche wird deshalb erstmals eine höchstrichterliche Entscheidung des Bundesgerichtshofs erwartet. Die Karlsruher Richter urteilen am Donnerstag, ob die Bewährungsstrafen für zwei Raser eines Rennens in Köln vom April 2015 richtig waren. Dabei war eine 19-Jährige getötet worden. In Karlsruhe wird auch der Berliner Richterspruch noch einmal geprüft. Die beiden wegen Mordes Verurteilten haben Revision eingelegt.

Wie auch immer die Entscheidungen des BGH ausfallen — Klarheit schaffen will die große Koalition noch vor der Bundestagswahl. Die Strafen für verbotene Rennfahrten sollen verschärft werden. Bis zu zwei Jahre Haft soll das Gesetz vorsehen. Wenn jemand schwer verletzt oder getötet wird, soll die Strafe bis zu zehn Jahre betragen können.

(RP)
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