Mönchengladbach Mehr als nur ein Fahrradparkhaus

Mönchengladbach · Die Radstation am Rheydter Hauptbahnhof ist nicht bloß ein trockener Ort für Fahrräder - sie bietet auch Chancen für Jugendliche ohne Arbeit. Morgen wird das zehnjährige Bestehen mit einem Tag der offenen Tür gefeiert.

 Achim Hintzen, Renate Beckers, Bernd Meyer und Daniel Langel (v.l.) in der Rheydter Radstation.

Achim Hintzen, Renate Beckers, Bernd Meyer und Daniel Langel (v.l.) in der Rheydter Radstation.

Foto: Detlef Ilgner

Draußen fällt Regen aus grauem Herbsthimmel, drinnen übergibt eine Kundin ihr Fahrrad einem jungen Mitarbeiter der Radstation. "Die Reifen könnten ein bisschen mehr Luft gebrauchen", meint die Radfahrerin, und der junge Mann greift zur Luftpumpe, bevor er das Rad sicher und trocken verstaut. Wenn die Kundin wieder kommt, kann sie sicher sein, dass die Reifen prall, der Sattel trocken und das Fahrrad noch in einem Stück ist. Diese Sicherheit kostet sie nur 80 Cent am Tag.

Weil das so schön und so günstig ist, sind die Plätze der vom Diakonischen Werk betriebenen Radstation am Rheydter Hauptbahnhof besonders in den Sommermonaten oft vollständig belegt. Die Radfahrer wissen das Angebot zu schätzen - die Radstation ist ein Erfolg. Ein Erfolg, der nicht unbedingt absehbar war. "Als wir vor zehn Jahren anfingen, wurden wir für die Idee belächelt", sagt Sozialpädagogin Renate Beckers. Für die Idee nämlich, das Angebot einer Radstation mit einer berufsvorbereitenden Maßnahme für Jugendliche zu verbinden. Gerade diese Kombination erweist sich inzwischen als besonders passend. "Das Fahrrad ist ein dankbares Objekt", sagt Zweiradmechanikermeister und Betriebsleiter Achim Hintzen. "Es gibt einfache und anspruchsvollere Arbeiten, und die Jugendlichen lassen sich schnell dafür begeistern."

Die Arbeit in der Radstation dient aber vor allem als Vehikel, um die häufig vernachlässigten Tugenden Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit zu erlernen. Um sechs Uhr morgens in der Radstation zu sein, um die Räder der Pendler entgegenzunehmen, ist nicht so ganz leicht. "Viele sind es tatsächlich nicht gewöhnt, so früh aufzustehen", erklärt Renate Beckers. "Aber wir telefonieren hinterher, führen Gespräche, und nach drei Wochen haben sich die meisten daran gewöhnt."

Hier hilft auch der Teamgedanke: Wenn man nicht kommt, steht der Kollege allein da. Das motiviert zum Aufstehen. Neun Monate lang durchlaufen die Jugendlichen die Maßnahme. Und hinterher finden mindestens zwanzig Prozent eine Arbeit oder einen Ausbildungsplatz. Einerseits, weil sie sich verändert haben. Andererseits, weil man sich um sie gekümmert hat. "Wir tun hier Dinge, die eigentlich die Eltern tun sollten, aber nicht getan haben", sagt die Sozialpädagogin. Es gibt eine Ernährungsberatung, damit der eine oder andere von seinem Übergewicht herunter kommt. Hin und wieder stehen gemeinsame Freizeitaktivitäten wie Klettern oder ein Besuch im Theater auf dem Programm. Die Jugendlichen bekommen ein Bewerbungstraining, die Formen der Höflichkeit werden vermittelt oder es gibt mal einen Tipp zur Kleidung in der Berufswelt. Vor allem aber gewinnen die Jugendlichen an Selbstvertrauen. "Wir hatten einen jungen Mann, der hatte zwar Fach-Abitur, war aber völlig verschüchtert", erzählt Schichtleiter Bernd Meyer. Er wurde im Büro eingesetzt, erfuhr Anerkennung, wurde zusehends selbstbewusster und macht heute eine Ausbildung in diesem Bereich.

Die erfolgreiche Arbeit der Rheydter Radstation hat zwei Folgen: Zum einen gibt es die Empfehlung, die Station auszubauen und weitere Stellplätze zu schaffen. Zum anderen entsteht gerade - nach einer langen Planungs- und Prüfungszeit - am Mönchengladbacher Hauptbahnhof eine weitere Radstation, diesmal gleich deutlich größer geplant mit über sechshundert Plätzen. Auch diese Station wird vom Team der Diakonie mit gleichem Konzept betrieben werden. "Wir sehen das als eine Radstation mit zwei Dependancen", erklärt Achim Hintzen.

Am morgigen Donnerstag, 27. Oktober, feiert die Radstation Rheydt ihren zehnten Geburtstag mit einem Tag der offenen Tür. Interessierte können sich dann in der Station umsehen, mit den Mitarbeitern ins Gespräch kommen und gemeinsam eine Tasse Kaffee trinken. Und Geburtstagskuchen gibt es auch.

(RP)
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