Mensch Gladbach Maseratis und dornenfreie Rosen in Wanlo

Mönchengladbach · Hefte raus, heute Erdkunde! Wussten Sie eigentlich, dass Frankreich und Gladbach nur zweieinhalb Dornen voneinander entfernt sind? Und dass ohne Wanlo wenig geht, schon gar nicht Barcelona? Na gut. Dann fangen wir besser noch mal ganz von vorne an.

Die französische Schriftstellerin Françoise Sagan schätze ich vor allem wegen ihrer Korrektheit in allen Lebenslagen. Als ihr Studenten in Paris bei den 68er-Protesten vorwarfen, es sei ein Unding, zu umstürzlerischen Umtrieben mit einem Ferrari vorzufahren, konterte sie am Mikrofon: "Das ist ein Maserati." Stark! Heute zitiere ich Sagan aus aktuellem Anlass mit einer ihrer süffigen Lebensweisheiten: Leute, die auf Rosen gebettet sind, verraten sich dadurch, dass sie immerzu über die Dornen jammern. Und zack - sind wir zweieinhalb Dornen weiter mittendrin im Jammertal Gladbach.

Nun fällt also in Wickrath (was ja wegen der A 61 auf dem Weg nach Paris liegt) erst mal das Brunnenfest und nächstes Jahr auch das Knospen- und Genussfest aus. Kein Grund zum Jammern! Die Gesetze des Marktes gelten auch bei der Feierei. Wer sich ausgerechnet das Wochenende mit der höchsten Dichte an Veranstaltungen in der Stadt aussucht, darf sich nicht wundern, wenn ihm die Leute nicht die Buden einrennen. Und dass in der Stadt an diesem Wochenende Bären steppen und Esel galoppieren, ist eine Menge, nur eines ist es auf keinen Fall: beklagenswert. In der Masse besticht man nur durch Klasse. Je mehr los ist, desto größer ist die Notwendigkeit sich abzuheben. mg + feierbiester. Wir schaffen das. Auch in Wickrath.

Ähnliches Phänomen. Statt gegen Greuther Fürth oder Erzgebirge Aue darf Borussia gegen den FC Barcelona kicken. Und nu wollen da tatsächlich viele hin. Sehr viele. Man musste sich die Finger wund klicken und mehr Geduld als Verstand haben, um an Tickets zu kommen. Und ich ahne jetzt schon, dass es an dem Spieltag üblen Stau auf der A 61 (also aus Paris kommend) geben wird. Mit Sicherheit werden viele jammern über die Gemeinheit des Schicksals, Borussia gegen Barcelona unter all diesen Zumutungen miterleben zu müssen. Weil diese Gesellschaft ja in ihrer Ausdifferenziertheit wenn überhaupt nur noch zwei Konstanten hat. Erstens: Das Leben läuft gerade dramatisch an mir vorbei (Morbus dornensis jammerabibus). Und wenn sich zweitens nicht sofort die ganze Welt um mich dreht, raste ich so was von aus.

Dabei geht es auch anders. Es gibt sie noch, die gute alte Gelassenheit und Schicksalsergebenheit. Schlag nach in Wanlo! Ich weiß nicht genau, womit sich das wackere Dörfchen all diese biblischen Plagen verdient hat. Braunkohletagebau, also letzter Halt, bevor man von der Scheibe Erde runterfällt. Kompostierungsanlage. Windräder. Autobahnkreuz. Was immer an neuen Hiobsbotschaften kommt, Wanlo hat die Nase im Wind.

Sparkassen schließen? Her damit. Dicke Gasleitung unter der Erde? Muss auf jeden Fall unter Wanlo her. Dass die Müllverbrennungsanlage und die Biogasanlage dann am Ende doch nicht in Wanlo gebaut wurden, wird wahrscheinlich daran gelegen haben, dass Hiob da gerade Überstunden abgebaut hat. Aber hören Sie lauten Klagegesang aus dem Süden der Stadt? Ziehen sich die Menschen aus? Ketten Sie sich an die Laternen? Rien. Rien de rien.

Wanlo ist jammerlappen-frei. Und deswegen würde ich, wenn ich Maseratis verkaufen oder dornenfreie Rosen züchten würde, das auf jeden Fall in Wanlo tun. So viel Prinzip muss sein.

(RP)
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