Mönchengladbach Maria Pispers überlebte zwei Weltkriege

Mönchengladbach · Heute vor 102 Jahren wurde Maria Pispers geboren. Obwohl körperlich gebrechlich, ist sie geistig topfit. Ihr Leben hat sie in Büchern verewigt und erinnert sich an viele Details. Den heutigen Zustand der Gesellschaft betrachtet sie kritisch.

 Maria Pispers ist 102 Jahre alt und hat immer noch einen Spruch auf den Lippen. Eines mag sie aber nicht: Fernsehen. "Da lässt man sich berieseln und döst ein. Ich brauche Beschäftigung und suche mir Arbeit."

Maria Pispers ist 102 Jahre alt und hat immer noch einen Spruch auf den Lippen. Eines mag sie aber nicht: Fernsehen. "Da lässt man sich berieseln und döst ein. Ich brauche Beschäftigung und suche mir Arbeit."

Foto: Jörg Knappe

Diskussionsrunden im Fernsehen und das Geschehen in der Welt interessieren Maira Pispers nicht mehr. Wer mag es ihr verdenken. Viel lieber sitzt sie in ihren Büchern und schreibt über ihr Leben. An jede Kleinigkeit erinnert sich die Dame, die heute 102 Jahre alt wird, bis ins kleinste Detail. Geistig ist Maria Pispers topfit. Nur mit dem Gehen klappt es nicht mehr so recht. Einige andere Gebrechen haben ihr das Leben schwergemacht. Doch das lässt sie nicht verzagen. Maria Pispers ist eine Kämpfernatur. Sie ist die älteste lebende Schülerin der Marienschule und lernte in ihrer Jugend den Leitspruch "Lerne leiden, ohne zu klagen". Den Spruch beherzigt sie bis heute.

An ihre Kindheit in Ratingen erinnert sie sich besonders gerne. "Wir haben als Kinder im Wald gespielt und uns dort Häuser aus Ästen gebaut. Eine Konserve, die wir im Bach fanden, war unsere Blumenvase", erzählt Pispers. Als ihr Vater eine Anstellung in Gladbach erhielt, zog die Familie um. "Ich habe zwei Kriege erlebt, das muss man sich mal vorstellen", sagt sie lächelnd. Leicht war es nicht. Den Angriff auf Dresden überlebte sie dank eines Soldaten, der sie in den letzten Zug hob, der die Stadt verließ. Weil ihr Verlobter zum Kriegsdienst nach Frankreich eingezogen wurde, musste die Hochzeit verlegt werden. Schwer verwundet starb er mit nur 36 Jahren. Ihre Tochter Margret starb kurz nach der Geburt. Sohn Raimund überlebte als Kind eine schwere Magenkrankheit. Mit ihm lebt sie bis heute zusammen in einem Haus. Eine Freude sind zudem die Enkelinnen Lea und Maren sowie die Urenkel Milla und Anni. Die Marienschule schickte ihr bereits einen persönlichen Gruß und ein Video des Patronatsfestes. Geprägt hat die Schule Maria Pispers im Glauben. 44 Jahre lang versorgte sie einen Bildstock in der Nachbarschaft. Erst vor wenigen Jahren übergab sie die Pflege einer Nachbarin. Unter ihrem Mädchennamen Ingenhoven ist die Dame bis heute vielen ein Begriff. Dabei hat sie manchen Freund und Verwandten überlebt. Dazu gehören auch ihre Schwestern Grete und Hanne. "Ich war das schwächste Kind der Familie", sagt Pispers. Vor 40 Jahren attestierten ihr Ärzte nach einer Krankheit, dass sie nicht mehr lange zu leben habe. "Ich war schon 30 mal im Krankenhaus und lebe immer noch. Das verdanke ich den Ärzten", sagt sie.

Maria Pispers ist ein lustiger Mensch, der gerne lebt. "Ich mache noch so viel wie nur möglich selber", erzählt sie. Das Fernsehen mag sie nicht. "Da lässt man sich berieseln und döst ein. Ich brauche Beschäftigung und suche mir Arbeit", sagt sie. Über zehn Bücher umfasst ihre Autobiografie. Inzwischen schreibt sie jeden Tag Tagebuch. Sie möchte ihr Leben für ihre Nachkommen bewahren. Besuch bekommt sie alle zwei Wochen von Diakon Achim Voiß. Er bringt ihr Hostien und ist ein gerngesehener Gesprächspartner. Gefeiert wird heute nur im Kreis der Familie.

Maria Pispers ist aber auch ein kritischer Mensch. "In hundert Jahren wird die Welt anders aussehen. Sie schreitet voran. Aber wer weiß, wie lange es sie noch geben wird?", sagt Maria Pispers, die es ärgert, dass viele Familien den Sonntag nicht mehr ehren. "Heute sind die Kinder in zig Vereinen. Das ist eben so. Aber es wird sich wieder ändern. Ich habe oft erlebt, wie immer alles weitergeht", sagt sie.

(cli)
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