Mönchengladbach Malerphilosoph mit barocker Lebenslust

Mönchengladbach · Ein Böhme, der in Rheydt aufwuchs und möglicherweise von Berlin wieder in die Stadt seiner Kindheit zurückkehren will, ist der Maler und Bildhauer Markus Lüpertz. Der 75-jährige Künstler sprach vor dem Initiativkreis über sein Leben.

 "Ich wollte ein großer Maler sein, also habe ich mich selbst erfunden" - das sagte Markus Lüpertz in der Kaiser-Friedrich-Halle über sich selbst.

"Ich wollte ein großer Maler sein, also habe ich mich selbst erfunden" - das sagte Markus Lüpertz in der Kaiser-Friedrich-Halle über sich selbst.

Foto: Ilgner

Nein, auch mit 75 ist dieser Mann mit dem weißen Rauschekinnbart nicht altersmilde geworden. Vielmehr bekräftigt Markus Lüpertz bei dem Vortragsabend, zu dem ihn der Initiativkreis eingeladen hat, sein Image als Malerfürst mit tizianischem Anstrich kompromisslos. Allerdings gibt er dem Publikum in der gut besetzten Kaiser-Friedrich-Halle auch zu verstehen, dass er die Frage nach der eigenen Größe durchaus selbstironisch beurteilt. Wobei dieser Zug bei Lüpertz ein wenig wie die sozialverträgliche Seite einer majestätischen Selbst-Inszenierung wirkt. Was er leugnet.

Abgeklärt scheint die Wahl seines Auftritts- und Abschiedstextes: Die beiden Gedichte aus seinem Gedichtband "Arkadien" widmen sich dem Thema Tod, freilich auf schelmische Art: "Der Tod hat ein Auge verloren. Es rollte vom Hügel, dem Tod wird übel", hebt er an. Doch dann spricht Lüpertz nicht von seinem grandiosen Totentanzzyklus, den er für die Rheydter Kirche St. Franziskus gemalt hat, sondern preist allgemein die Kunst, vor allem seine eigene. Als Bohemien, der sich seit jeher als Dandy ausstaffierte, fühlt sich Lüpertz, einer der höchstgehandelten Künstler der Republik, herausgefordert, entsprechende Erwartungen im Publikum zu bedienen. Dabei schafft es der langjährige Rektor der Düsseldorfer Kunstakademie sogar, Nietzsches Forderung "Wenn das Werk spricht, hat der Künstler sein Maul zu halten", ansatzweise zu befolgen. Denn er spricht kaum über Details seiner oft auf riesige, gargantueske Formate versessenen Kunstsprache, verrät nicht, warum etwa sein Bonner Beethoven so grotesk grobschlächtig aussieht.

Stattdessen bekräftigt der Prominente, den Ulrich Wölfer, Entwicklungschef der Gesellschaft Unibail-Rodamco, als Schirmherr des Vortragsabends begrüßte, seinen turmhohen ästhetischen Anspruch: "Wir müssen die Kunst und ihre Fülle begehren" - nicht die Kunst als Devotionalie. Dieses Manko erkennt er etwa im Schaffen von Joseph Beuys. Der zum Katholizismus konvertierte Lüpertz, der sich zu barocker Lebenslust bekennt, führt drastische Beispiele für Reliquien der Moderne ins Feld: "Ein Finger von Joseph Beuys, das hätte was . . .", kritisiert er verbreitete Kunstkonzepte.

Wahre Kunst und Kultur hingegen verlangten "Dienstbarkeit, Hingabe, Liebe", sagt Lüpertz, und empfiehlt: "Gieren Sie auf dem Feld der Kunst nicht nach dem stets Neuen. Es gibt in der Kunst nichts Neues, nur immer neue Künstler." Mit dem Lob für Kollegen tut sich der Bohemien schwer: Gerhard Richters Ornamentfenster im Kölner Dom beschreibt er als gepixeltes Lichtspektakel, wobei die Glasscheiben geklebt und nicht fachmännisch montiert seien. "Der Leim hält 20 Jahre", prognostiziert Lüpertz, der selbst Kirchenfenster gestaltet hat.

Im Gespräch mit der Kulturjournalistin Tina Mendelsohn ("Kulturzeit") legt er uns ans Herz: "Sie müssen mit Zielen leben." Für ihn selbst bedeutet das: "Ein Bild gebärt das nächste." Und auch dies gilt für ihn: "Ich wollte ein großer Maler sein, also habe ich mich selbst erfunden", sagt er mit kokettem Augenzwinkern - und greift nach dem Rotweinglas.

Beim Vorabgespräch mit Medienvertretern verriet Lüpertz eine kleine Sensation: Danach erwägt der Malerfürst, bald wieder in seine Heimat Rheydt zurückzuziehen. Und dort, natürlich standesgemäß, Hof zu halten.

(ri-)
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