Mönchengladbach Macbeths Albträume im Nebel zerstoben

Mönchengladbach · Hüseyin Michael Cirpici inszeniert Shakespeares Tragödie "Macbeth" im Zeitraffer. Die Botschaft kommt an, geht aber nicht unter die Haut.

 Ein vom Machtrausch Besessener: Paul Steinbach spielt den Usurpator Macbeth. An Brutalität steht seine Frau, Lady Macbeth (Eva Spott), dem von Albträumen heimgesuchten Tyrannen in nichts nach. Sie verfällt dem Wahnsinn.

Ein vom Machtrausch Besessener: Paul Steinbach spielt den Usurpator Macbeth. An Brutalität steht seine Frau, Lady Macbeth (Eva Spott), dem von Albträumen heimgesuchten Tyrannen in nichts nach. Sie verfällt dem Wahnsinn.

Foto: M. Stutte

Vielleicht glaubte der Kölner Regisseur Hüseyin Michael Cirpici, dass dieses Horrordrama der elisabethanischen Epoche ein lustiges Pendant braucht, um den erstrebten Katharsis-Effekt beim Zuschauer zu erreichen. Doch was Bruno Winzen als Pförtner in "Macbeth" an der Rampe kalauert, ist ein Sortiment schlichter Witzchen. Die Gefahr der Einsetzung eines Narren jenseits des shakespeareschen Personals: Der Zuschauer ist danach nicht mehr so bereit, sich der Faszination des Grauens in dem nachtschwarzen Drama hinzugeben.

Cirpici, der hier bereits "Romeo und Julia" inszeniert hat, knüpft gleichwohl ein dichtes atmosphärisches Netz in dem auf halbe Portalhöhe gedrückten Bühnenraum. Dazu greift er eifrig in die Maschinerie-Trickkiste, lässt reichlich Nebel - mal weiß, mal blutigrot - hereinpusten, steuert Geräusche und Musik bei. Wobei die Musikerin Julia Klomfaß einen Teil der Klangkulisse mittels eines imposanten Arsenals an Instrumenten live herstellt.

Doch solche Stimmungsbeigabe wird vom Spiel der Darsteller nicht durchgehend eingelöst. Einzig den drei Hexen (Esther Keil, Anna Pircher, Helen Wendt) gelingt mit schlangenhaftem Zischen, Hecheln und drohend artikulierten Prophezeiungen ein Gänsehaut-Effekt.

Wir sehen einen aus siegreicher Schlacht heimkehrenden General Macbeth, der vom schottischen König Duncan (maskenhaft: Joachim Henschke) ausgezeichnet wird. Macbeths Frau zieht alle Register, damit er den König aus dem Weg räumt, um einer Prophezeiung zur Wirkung zu verhelfen. Wie Eva Spott als Lady Macbeth unter Einsatz weiblichen Überredungsgeschicks zur Mordtat anstiftet - in der Premiere gelingt ihr hier ein Schlaglicht des Grauens. Später wird sie, dem Wahnsinn verfallen, eine weitere bannende Szene meistern.

Ausstatterin Sigi Colpe hat den Kriegern, die lange Schwerter tragen, keine Rüstungen, sondern weiße Unterhemden verpasst, die von Spuren des Tötens besudelt sind. Nur seltsam, dass ihre Hosen unbefleckt geblieben sind.

"Täuschen wir die Welt mit einer Vorstellung, die Unschuld heißt", fasst der Unhold, dem Paul Steinbach seine helle, fast knabenhafte Stimme verleiht, seinen Plan zusammen. Ein zentraler Punkt in der Diagnostik des Bösen: Verbrecher wissen genau, was sie tun (müssen), um an die Macht zu gelangen, aber sie wissen auch, dass sie ihre Mordtaten vertuschen müssen. Die Aussicht auf einen Sieg des Bösen ist es, was dabei am meisten Angst auslöst. Steinbach legt seine Titelrolle eher als Getriebener an. Irgendwie tut einem diese von Albträumen gepeinigte Bestie sogar leid; diese arge Facette des Grauens hat Shakespeare im Stück mit angelegt.

Macbeths Königsmord zieht zwanghaft weitere Kapitalverbrechen nach sich, die dem Zweck der Vertuschung dienen. Und so begreift die Lady als Erste, dass sie dafür zahlen werden müssen. Vergebens müht sie sich, das Blut von ihren Händen zu waschen, und flüchtet in Wahnsinn und Tod.

Macbeth selbst erliegt den Rächern seiner Opfer. "Macbeth ist reif, wir ernten ihn", verkündet Malcolm (Christopher Wintgens), der Sohn des ermordeten Königs, die Losung. Macduff (Philipp Sommer) ersticht schließlich den Schurken, der keine Gegenwehr leistet.

Cirpici hat die poetisch aufgeladene Übersetzung von Thomas Brasch herangezogen. Doch die massiven Striche, die den Ablauf des Dramas wie im Zeitraffer beschleunigen, führen zu einem Rhythmus, der es dem Publikum erschwert, Fixpunkte der Handlung und Zäsuren zu erleben. Nach 100 Minuten ist das Spektakel auf der regennassen, blutroten Bühne wie im Nebel zerstoben: Macbeth light im TV-Tatortformat.

Vorstellungen: 11., 12., 20., 21., 24. Mai; 20., 30. Juni; 8o., 14. Juli 2017.

(ri-)
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