Mönchengladbach Liebe, Hass, Schläge

Mönchengladbach · Tatort: die eigene Wohnung. Täglich wird in der Stadt eine Frau von ihrem Partner bedroht, genötigt oder verprügelt. In diesem Jahr wurden bei der Polizei 289 Strafanzeigen wegen häuslicher Gewalt erstattet. Frauenhäuser und Beratungsstellen sind voll ausgelastet, die Finanzen jedoch knapp.

Der Doppelmord an der Frankenstraße im März und der Tod der "Huma"-Schülerin Vanessa im November vergangenen Jahres sind für Doris Ingenhag von der Frauenberatungsstelle Mönchengladbach ganz deutliche und tragische Zeichen: "Frauen in Trennungssituationen sind enorm gefährdet." Gottseidank endeten die wenigsten Fälle so extrem, "aber Gewalt gegen Frauen ist und bleibt ein großes Thema".

Sie finde immer und überall statt, manchmal vielleicht sogar nebenan. Gewalt hat viele Erscheinungsformen: "Körperliche Angriffe, Vergewaltigung, Mord ,im Namen der Ehre', sexuelle Übergriffe, Demütigungen und Erniedrigungen. Es ist wichtig, Gewalt gegen Frauen aus der Tabuzone zu holen, denn Gewalt gegen Frauen ist nie privat", betont die Gleichstellungsbeauftragte, Bärbel Braun. 120 misshandelte und verprügelte Frauen wandten sich in diesem Jahr hilfesuchend an die Beratungsstelle an der Kaiserstraße, alle verwundet an Seele und Leib.

Das Gewaltschutzgesetz habe die Situation der betroffenen Frauen verbessert, glaubt Doris Ingenhag. Seit fünf Jahren kann der prügelnde Partner der Wohnung verwiesen werden. Davor blieb dem Opfer nur die Flucht. Oft bot nur das Frauenhaus Schutz. Trotzdem konnte das Gesetz nicht dafür sorgen, dass Frauenhäuser überflüssig wurden. "Wir sind immer noch voll ausgelastet", sagt Claudia Fritsche, Leiterin des Frauenhauses Rheydt, das im kommenden Jahr 30-jähriges Bestehen feiert.

Frauen, deren Selbstbewusstsein noch nicht ganz gebrochen ist, die bis auf die Gewalterfahrungen keine anderen gravierenden Probleme haben, kämen oft mit den ambulanten Angeboten aus. Aber es gibt ebene auch viele andere Frauen. "Bei uns sind sehr oft junge Mütter, die in allen Lebensbereichen Unterstützung brauchen. Da helfen wir nicht nur, die Gewalterfahrung aufzuarbeiten oder die Unterhaltsdinge zu regeln. Die Frauen müssen auch lernen, ihren Tagesablauf zu strukturieren. Manche sind zudem noch hochverschuldet", berichtet Claudia Fritsche.

Im Grunde genommen sei die Arbeit im Frauenhaus also größer und schwieriger geworden, die Mittel dagegen geringer. "Eine politische Forderung der Frauenhäuser im Land ist daher, die Finanzierung zu einer staatlichen Pflichtaufgabe zu machen", sagt Claudia Fritsche. Schließlich sei es eine äußerst wichtige gesellschaftliche Aufgabe, den oft schwer traumatisierten Frauen und Kindern mit Gewalterfahrungen einen Neuanfang ohne Angst zu ermöglichen. Leicht sei das nicht. Denn oft werden die Frauen von enormen Schuldgefühlen geplagt. Von Männern mit übersteigertem Machtgefühl sei ihnen oft genug eingetrichtert worden: "Du bist das Letzte. Du bist nichts ohne mich."

Zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen werden am Sonntag in der Stadt Fahnen "Frei leben — ohne Fewalt" gehisst. Die autonomen Frauenhäuser wollen außerdem mit einer landesweiten Plakatkampagne gewaltbetroffenen Ehefrauen und Lebenspartnerinnen Mut machen, sich an örtliche Hilfestellen wie Frauenhaus und Beratungsstelle zu wenden. "Viele wollen nicht zur Polizei gehen, weil sie durch eine Anzeige noch mehr Schwierigkeiten befürchten", weiß Claudia Fritsche.

(RP)
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