Mönchengladbach Schön war die Jugendzeit!

Mönchengladbach · Regisseurin Anja Panse inszeniert am Gladbacher Theater Lutz Hübners Stück "Frau Müller muss weg", das zuletzt im Kino mit Anke Engelke erfolgreich war. Besonders Hauptdarstellerin Eva Spott erntet Sympathien. Ein köstliches Stück.

 Geht es nach den Eltern, soll Frau Müller (gespielt von Eva Spott, Mitte) weg. Doch im Saal gehört ihr die ungeteilte Sympathie des Publikums.

Geht es nach den Eltern, soll Frau Müller (gespielt von Eva Spott, Mitte) weg. Doch im Saal gehört ihr die ungeteilte Sympathie des Publikums.

Foto: Matthias Stutte

Lange nicht so köstlich amüsiert. Ja, mit der Komödie "Frau Müller muss weg" tut das Theater seinem Publikum etwas Gutes. Sehr Gutes sogar, möchte man meinen.

Denn mit der Inszenierung des zuletzt im Kino von Regisseur Sönke Wortmann mit Schauspielerin Anke Engelke prominent und erfolgreich verfilmten Stücks von Lutz Hübner haben die Berliner Regisseurin Anja Panse und ihr vertrautes Team ganz wunderbar leichtes und kein bisschen verdummendes Theater erschaffen.

In dem Stück geht es vordergründig um die Lehrerin einer vierten Klasse, Frau Müller, die von den Eltern gemobbt wird. Schreiend lustig wird die Sache natürlich dadurch, dass sich die Eltern bei der Aktion selbst als ziemlich verkorkste Existenzen entlarven.

Anja Panse setzt nun am Theater Mönchengladbach noch einen drauf, indem sie in einer Art Prolog die Mini-Ausgaben der Erwachsenen in einem Klassenzimmer zunächst herumtoben, dann von einem bösen Mann mit Trommel und Peitsche herumkommandieren lässt. Dass später die "Erwachsenen" auf dieselben brachialen Dressur-Reize reagieren, wenn sie von Frau Müller kommen, entwickelt sich zum Treppenwitz. Jedenfalls findet das Publikum, das ganz offenbar zu einem Gutteil aus mit dem pädagogischen Metier Vertrauten besteht, den Fortgang der Handlung überaus erheiternd.

Bühnenbildnerin Annette Meyer setzt ein schräges Parkett-Geviert auf die Bühne, von dem eine tollende Kinderschar die allegorischen Blüten der Jugend abpflückt, bevor die Erwachsenen-Ausgaben der süßen Kleinen ein Lied anstimmen: "Schön ist die Jugendzeit", drei Strophen im vierstimmigen Satz a cappella. Alle Achtung, das Schauspielensemble kann erstaunlich gut singen, dem hat die Bühnenmusikerin Annegret Enderle wunderbare Songs auf den Leib geschrieben. Und die Botschaft ist wunderbar subversiv. Denn die Macken der Eltern stammen aus ihrer eigenen Jugend. Und die folgende Generation, so erfahren wir im Fortgang des Abends, wird genauso. Wir lernen die Eltern nach und nach kennen: das Ehepaar Jeskow, ein verzweifelt um Harmonie bemühter Christopher Wintgens in Jeans und Weste, die hysterische Helen Wendt auf abenteuerlichen High-Heels, deren Sprössling - hochbegabt oder ADHS - die eheliche Dissonanz durch Aggression gegen Mitschüler auslebt. Wir erleben (als Gast im Ensemble) Susanne Jansen als toughe Managerin, die zu verbalen Wutausbrüchen mit Reibeisenstimme neigt, für die ihr abwesender Gatte eine Ursache sein mag. Adrian Linke gibt den Loser und Frauenflachleger, der ein Techtelmechtel mit der von Esther Keil wunderbar infantil angelegten alleinerziehenden Mutter des Klassenprimus wiederaufleben lässt. Auf dem Pult des Sprösslings. Und eine in ein graumäusiges Jäckchenkleid gesteckte Frau Müller, die Eva Spott so professionell, so warmherzig und ehrlich zur Karikatur entwickelt, dass es einen rühren mag. Vom ursprünglichen Plan, die Lehrerin loszuwerden, bleibt am Ende nichts mehr übrig. Die Gründe sind so skurril wie menschlich, naheliegend wie abstrus. Jedenfalls stammen sie aus dem wirklichen Leben, wie die unmittelbare Reaktion des Publikums belegt. Lutz Hübners Stück funktioniert, und Anja Panse führt mit dem Autor nicht nur die Figuren, sondern auch virtuos die Zuschauer wie am Nasenring von Pointe zu Pointe. Das geht vom Stuhlkreis bis zum Schweige-Fuchs, und beim Freundschafts-Lied stimmt der Saal mit ein. Frau Müller gehören die ungeteilten Sympathien im Saal, Eva Spott erhält für ihre pädagogisches Bekenntnis Beifall auf offener Bühne. Vielleicht ist das die einzige Schwäche dieser phantasievollen und handwerklich präzisen Regiearbeit: dass die Lehrerinnen-Figur so wenig angesägt wird. Das kann man ja noch auf dem Nachhauseweg erledigen. Mit einem Lächeln.

(RP)
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