Mönchengladbach Reise mit olympischem Selbstversuch

Mönchengladbach · Der Bestsellerautor Ilija Trojanow hat den Literarischen Sommer in Mönchengladbach eröffnet. In der Stadtteilbibliothek Rheydt las der 50-Jährige aus seinem neuen Buch "Meine Olympiade" - faszinierend.

 Der aus Bulgarien stammende, in Wien lebende Bestsellerautor Ilija Trojanow hat sich der olympischen Sportwelt gewidmet. Und alles ausprobiert.

Der aus Bulgarien stammende, in Wien lebende Bestsellerautor Ilija Trojanow hat sich der olympischen Sportwelt gewidmet. Und alles ausprobiert.

Foto: Detlef Ilgner

Er hoffe, "dass wir eine merkwürdige Veranstaltung, im alten Sinne des Wortes, erleben" werden, sagte Kulturdezernent Dr. Gert Fischer bei der Begrüßung in der Rheydter Stadtteilbibliothek. Mit einem olympischen Selbstversuch startete hier der Literarische Sommer. Merk-würdig in der Tat ist die Idee, die den aus Bulgarien stammenden, in Wien lebenden Bestsellerautor Ilija Trojanow vor vier Jahren bewog, nicht nur TV-Zuschauer bei den Olympischen Spielen in London zu bleiben. Sondern zum Akteur zu wechseln, der sich alle 80 Einzeldisziplinen der Sommerspiele in persönlichen Trainingseinheiten aneignet. Ein Projekt, das für den Schriftsteller ("Weltensammler", "Macht und Widerstand") zu einer vier Jahre - eine Olympiade lang - währenden Ausdauer-Superdisziplin wurde. "Mit Augenzwinkern auf ein historisch gewordenes Genre, das gar nicht zu leisten ist, nämlich die Enzyklopädie", hat der 1965 in Sofia geborene Trojanow sich der olympischen Sportwelt gewidmet. Und alles ausprobiert.

In Rheydt erzählt Trojanow zunächst von den Motiven für seine Super-Recherche in der Welt des Sports. Der Mann, etwa 1,80 Meter, angegrautes Haar, ist mit einer angenehm dunklen, wohlklingenden Stimme ausgerüstet, die ein feines Lächeln, das niemals aufgesetzt wirkt, vertrauenerweckend unterstützt. Ein Sympath, dieser Amateursportler, der als Autor in die kryptische Expertenwelt des Sports eindringt und sie dabei philosophisch würdigt. "Im Sport ist sehr viel Geist, das Mentale spielt eine enorme Rolle", weiß Trojanow. Er schildert seine kunterbunten Erfahrungen beim Training in 23 Sportarten, bringt dabei gern ein Quäntchen Selbstironie ins Spiel, ohne dadurch den Leistungssport und seine Träger zu diskreditieren. Sein Box-Coach in Brooklyn, New York, mokierte sich zwar über seinen ziemlich mittelmäßigen Punch, lobte aber Trojanows Gabe des "Trash Talking", ein Bestandteil des Trainings, bei dem die Boxer in der Kurzpause sich alles, was sie gerade bedrückt, von der Leber reden dürfen. Beim Hammerwerfen wollte ein Trainer messen, wer nach dem missglückten Drehabwurf nun weiter geflogen sei, die 7,257 Kilo schwere Kugel - übrigens kein Hammer - oder der Autor.

Trojanow bewundert die Präzisionsarbeit von Bogenschützen und Degenfechtern, konstatiert die nach Absprunghöhen beim Turmspringen gestaffelten "Mutschwellen", schildert authentisch den vorwegerlebten "Tod" auf der Zielgeraden des 400-Meter-Laufs oder die zermürbend langen Wartezeiten beim Zehnkampf. Für die gesündeste Sportart erachtet er das Schwimmen, Turnen dagegen hasst er zutiefst. Auch für den Hüftschlenkergang der Sportgeher vermag er sich nicht zu erwärmen.

In seiner Lesung "bekommen die Sportarten ein Gesicht", resümiert Moderatorin Maren Jungclaus vom Literaturbüro NRW im Gespräch mit dem Autor. Der gibt den Besuchern Nachdenkenswertes mit auf den Heimweg, etwa ein Gleichnis des antiken Philosophen Diogenes: "Was ist so großartig daran, Schwächere zu besiegen?", fragte dieser. Und von dem Indianervolk der Lacota ist der Spruch überliefert: "Wer dreimal hintereinander gewinnt, ist ein schlechter Mensch." Trojanow gehört zu den guten. Er gibt zu: "Ich möchte aufgeben, aber ich weiß nicht, wie." Sport kann auch abstrus sein.

(ri)
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