Serie Denkanstoss Nun will der Lenz uns grüßen

Mönchengladbach · In der Schule habe ich dieses Frühlingslied kennengelernt, das mir zur Zeit nicht aus dem Kopf gehen will; Es ist wirklich erstaunlich, wie präzise man sich an Erlerntes aus der Kindheit zu erinnern weiß. Dabei ist "Lernen" eigentlich das falsche Wort. Indem unser Musiklehrer das Lied abschnittweise auf dem Klavier vorspielte, eignete man im Hören und Mitsingen sich Text und Melodie an.

Natürlich ist es offensichtlich, warum mir diese Frühlingsweise in diesen Tagen wieder in den Sinn gekommen ist. Wir alle sind des schlechten Wetters überdrüssig und sehnen uns nach Sonne; aber vielleicht berührt das Lied auch Tieferliegendes. Ein erster Fingerzeig mag im Begriff der altertümlichen Bezeichnung "Lenz" erkennbar sein; althochdeutsch lenzo ist etymologisch verwandt mit dem Adjektiv lang, und verweist damit auf die länger werdenden Tage im Frühjahr.

Doch nicht nur das Licht wird im Lied thematisiert, sondern das Leben selbst wird besungen: Da sprießen an allen Ecken die Blumen rot und blau, da lädt die Heide im Festtagskleide zum Tanze ein. Der Dichter Karl Ströse, von dem diese Zeilen stammen, weckt in uns durch Wortwahl und Metaphern neuen Lebensschwung, denn er zeigt uns, dass jeder Lenz mit Licht und Leben grüßt.

Wie sehr brauchen wir gerade heute einen solchen Zuruf! Denn es ziehen doch recht dunkle Wolken über unsere Welt auf, die das Leben bedrohen. Da ist der allgegenwärtige Terrorismus, der Erfolg an Opferzahlen und Ängsten misst; da sind die Flüchtlingsströme, die der Bedrohung des Krieges entfliehen wollen und selber als Bedrohung erfahren werden; da ist ein schleichender Klimawandel, der in seinen Auswirkungen Mensch und Tier das Fürchten lehrt; da sind Währungsprobleme, die zeigen, dass unser Wohlstand auf recht tönernen Füssen steht.

In diesen Zeiten wird das Frühlingslied zum Hoffnungslied, denn es zeigt uns, dass in allem Wandel und Wechsel es das Beständige gibt; immer wieder kehren Licht und Leben in unsere Welt zurück, immer wieder ist uns ein Neuanfang geschenkt.

Jeder Frühling sagt uns, es kann anders, es kann lichter werden, wenn man sich auf das Eigentliche des Lebens besinnt. Schlagen wir miteinander und mit Gott doch endlich neue Wege ein, denn um es mit den Worten von Ströse zu sagen: "Die Reise ist Goldes wert."

DER AUTOR IST PFARRER VON ST. MARIEN RHEYDT.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort