Mönchengladbach Marathon im Frack . . .

Mönchengladbach · Auf Schnee ist winters auch in Tirol nicht mehr Verlass. Das musste der Solotubist der Niederrheinischen Sinfoniker, Bernhard Petz, beim letzten Winterurlaub in seiner Heimat feststellen. "Da gab es im Tal nur eine schmale Loipe mit Kunstschnee", erzählt der 43-jährige Musiker und Bildhauer, dessen Wahlheimat ein überbauter Weltkriegsbunker in Güdderath ist. Er reihte sich also ein in die Schar der Langlauf-Skifahrer. Um festzustellen, dass er ständig überholt wurde. "Da habe ich mich kurzerhand entschlossen, die Laufrichtung umzukehren", berichtet Petz, der sich mit Künstlernamen Bepe Meilenstein nennt. Das war, übertragen aufs Skilaufen, quasi ein "Schwimmen gegen den Strom". Was durchaus zu Verärgerung und Irritation anderer auf der Loipe geführt habe.

Dieses Prinzip möchte Meilenstein nun bei seinem ersten Marathon umsetzen. "Ich laufe als einziger von rund 1200 Marathonis beim 10. Drei-Länder-Marathon am Bodensee in Gegenrichtung", erzählt der Künstler, der sich schon mit der Wahl seines Instruments, der Tuba, beruflich für ein Alleinstellungsmerkmal im Orchester entschieden hatte. Mit exotischen Gewändern, die seine Lebensgefährtin Dzizia Sacher, Geigerin bei den Niederrheinischen Sinfonikern, selbst entwirft und schneidert, zeigt Petz auch im Alltags-Outfit gern nonkonformistische Lebensart.

Da er am Sonntag, 9. Oktober, morgens als einziger im Stadion von Bregenz starten und dort das Festspielhaus und die weltberühmte Seebühne passieren wird, wird er beim Marathon einen Frack tragen - als "Hommage an meine Musiker-Kollegen dort", erklärt der Tubabläser, der 1973 in Tirol zur Welt kam.

Seit Februar, als er die Zusage für die Performance erhielt, hat Petz "intensiv trainiert, bis zu fünfmal die Woche, und Strecken bis zu 25 Kilometer zurückgelegt". Dabei hat er nebenbei fast 20 Kilo abgespeckt. Das Besondere bei seinem Kunst-Laufprojekt: Bepe verzichtet auf Laufschuhe und läuft die kompletten 42,195 Kilometer von Bregenz über St. Margrethen (Schweiz) und zurück bis zur Hafenpromenade von Lindau auf deutscher Seite des Bodensees barfuß. Wie 1960 Abebe Bikila, der bei den Olympischen Spielen in Rom im Marathon die Goldmedaille holte. Dabei werden dem einsamen Langstreckenläufer ein Begleitfahrrad und ein Polizeikrad den "richtigen", eigentlich falschen Weg entlang der Strecke in Gegenrichtung weisen.

Nachdem die anderen über 1000 Läufer um 9.45 Uhr in Lindau gestartet sind, wird der Barfußläufer irgendwann dem Führenden begegnen - und später sämtlichen weiteren Läufern. "Diese Aktion passt perfekt zu Bregenz als Kulturstadt und zum zehnjährigen Marathon-Jubiläum", äußerte Dieter Heidegger vom Marathon-Orgateam Vorfreude auf das Ereignis.

Achtsam will Petz jedem Läufer ausweichen und alle mit einem freundlichen "Hallo" begrüßen. Denn er läuft ja außer Konkurrenz. "Bei Laufwettkämpfen rennen alle gemeinsam in eine Richtung - aber jeder läuft zugleich gegen alle anderen", sinniert Petz, "ich aber bin für die anderen als einziger kein Gegner, doch ich begegne allen." Sein Credo bei dieser sportlichen Begegnung lautet: friedlich gegen den Strom unterwegs sein. Damit übt der Freizeitsportler auch Kritik an Denkmustern der Leistungsgesellschaft. "Fleißig trainieren, also arbeiten, dabei möglichst nicht zu sehr auffallen, sondern sich im Strom der Masse nach vorne kämpfen - das ist die Verhaltensgrundregel für Leute, die Karriere machen wollen", sagt der "Philosoph" Bepe Meilenstein. Für ihn ist der Marathon "wie ein komprimierter Lebenslauf".

Dazu passt sein Bekenntnis zum Barfußlaufen: In Schuhen habe er früher oft Knie- und Rückenschmerzen gehabt, die seien durch die Umstellung verschwunden. Petz setzt längst nicht mehr mit Ferse oder Mittelfuß auf und rollt dann ab, sondern zieht es vor, bei jedem Schritt den Bodenkontakt im Vorfußbereich herzustellen. "Das ist die eigentlich naturgegebene Bewegungsform beim Laufen", ist er überzeugt. Auch seine Körperhaltung habe sich dadurch verbessert. Klar, dass es Zeit brauchte, bis seine Fußsohlen sich an die Belastungen auf hartem oder rauem Untergrund gewöhnt hatten. "Anfangs tut es höllisch weh, denn wir haben in den Fußsohlen mehr Nerven als zum Beispiel in den Fingern", weiß Bepe Meilenstein. In den letzten Tagen vor dem Start wird er erstmals unter Realbedingungen sein Training in der Umgegend des Wickrather Schlosses absolvieren. "Bitte also nicht wundern, wenn Ihnen mal ein Barfußläufer mit Pferdeschwanz und im Frack begegnet", sagt er und schmunzelt.

Start für alle: Sonntag, 9. Oktober, 9.45 Uhr, Lindau (Hafen); Nachmeldungen können vom 7. bis 9. Oktober nur noch vor Ort erfolgen. Informationen: www. sparkasse-3-laender-marathon.at

(ri-)
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