Mönchengladbach Horst im Glück

Mönchengladbach · Fernsehkoch Horst Lichter entzückt mit "Herzenssachen" sein Publikum im Kunstwerk Wickrath. Dabei ist das Kochen eher Nebensache. Im Fanshop werden Schürzen mit dem Slogan "Unter 400 Gramm ist Carpaccio" angeboten.

 "Herzenssachen" ist keine Kochsendung auf der Bühne, sondern über weite Strecken eine animierte Märchenstunde, in der Horst Lichter sein Leben erzählt.

"Herzenssachen" ist keine Kochsendung auf der Bühne, sondern über weite Strecken eine animierte Märchenstunde, in der Horst Lichter sein Leben erzählt.

Foto: Jörg Knappe

Die Rindersteaks, die Horst Lichter mit einer halben Flasche Olivenöl begossen, in die Backröhre schiebt, haben das Format von halben Kaninchen. "Unter 400 Gramm ist Carpaccio", bringt der rheinländische Fernsehkoch seine kulinarische Ästhetik auf den Punkt, verbucht den sicheren Lacher aus der mehr als gut, bis unters Dach gefüllten Halle im Kunstwerk Wickrath. Und braucht gar nicht auf die mit ebendiesem Slogan bedruckten Kochschürzen zu verweisen, die für schlappe 25 Euro im mitgebrachten Fanshop angeboten werden.

Der ist eh in der Pause und zur späteren Autogrammstunde dicht umlagert von nicht nur übergewichtigen Genussmenschen, die diesen "Herzenssachen" betitelten Abend gebucht haben. Sie kommen alle auf ihre Kosten, auch wenn der Mann mit dem Kringelschnäuzer kaum kocht an diesem Abend. Dennoch werden sie später mit Duft von geräuchertem Speck und Zwiebeln in den Klamotten ins Auto steigen, dazu hat der Beliebteste unter den nationalen TV-Herd-Koryphäen extra einen großen Ventilator mitgebracht, der die Aromen unter seine Fans verteilt.

"Herzenssachen" ist keine Kochsendung auf der Bühne, sondern über weite Strecken eine animierte Märchenstunde, in der der "Hotte" sein Leben erzählt. Von seiner toten Mama, die ihm so sehr fehlt, von einem Schmetterling, der sein Leben verändert hat, von Kindheit, Schule, Schlaganfall. Von den Ehen, seinem "Laden", der Oldiethek in Rommerskirchen, von Beamten (den "Gezüchteten") und anderen ihm weniger gut gesinnten, meist komischen Menschen. Schließlich von den Medien, seinem Ruhm und der Gewissheit, dass es besser nicht mehr kommen kann. Es ist irgendwie eine "Horst im Glück"-Geschichte, die er da an diesem Abend zum Besten gibt, in deren Verlauf dieser Mann, der immer Koch sein wollte, so viele Dummheiten machte, dass seine Naivität (und eine gehörige Portion Bauernschläue) ihm statt einem Berg Schulden schließlich die Goldene Kamera einbrachte.

Nun kann man sich sowas sterbenslangweilig und peinlich vorstellen, Horst Lichter jedoch erzählt so grundehrlich witzig, so authentisch pointiert, dass es ein Genuss ist, ihm zuzuhören und zuzusehen. Lichter steht in Karohemd und trendiger Löcher-Jeans zwischen Herd und ein paar einladend gedeckten Tischen in der Dekoration eines Kochstudio-Kramladens, stellt mit Sätzen wie "Ich bin heute zuhause in Wickrath" eine familiäre Nähe zum Saal her, weiß die Damen mit seinem Charme zu umgarnen und auch die mitgeschleppten Herren durch manche Zote bei Laune zu halten.

Und das Leckerste ist: Er macht das sehr, sehr amüsant, nimmt sich selbst, seine Kochkünste und seine Eitelkeiten auf die Schippe. Selbst die Lebensweisheiten, die ihm aus schlichtem Herzen sprechen, kommen grundsympathisch daher. Dem Hotte nimmt man fast nichts übel, selbst sein Kochen nicht.

Allerdings hätte er auf das Abspielen eines Hochglanz-Werbefilms für eine Nobel-Hausgeräte-Firma verzichten sollen. Das Koch-Stündchen, zu der nach der Pause sogar ein paar Glückliche auf der Bühne platznehmen dürfen, strotzt wieder vor Butter, Sahne und Zutraulichkeiten. "Ihr seid ein Träumchen", zärtelt der Charmebolzen am Ende in den Saal. Vielleicht ist es das beste Rezept des Abends: sich nicht allzu ernst zu nehmen und das Leben mit beiden Händen bei den Hörnern packen. Was braucht es da Obstsalat in Bailey-Sauce und Erdbeereis.

(ark)
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