Von Den Strömen Der Stadt (4) Hallo Nachbarn!

Mönchengladbach · Kunst und Öffentlichkeit - wie funktioniert das? Die Ausstellung im Museum Abteiberg gibt unerwartete Antworten.

 Marco Biermann mit der Kamera in einer Wohnung.

Marco Biermann mit der Kamera in einer Wohnung.

Foto: Katja Illner

Tomas Kleiner und Marco Biermann haben die Nachbarn besucht. Natürlich haben sie vorher gefragt. Die Türen wurden ihnen bereitwillig geöffnet, und sie sind mit Kamera und Tonträger hineinspaziert. Sie durften sich umsehen, Schubladen und Schränke öffnen, in die Küche schauen, ins Schlafzimmer, und eine Familie ließ Marco Biermann sogar mal kurz unter die Dusche springen. Alles was die Künstler filmten, alles was ihre Mikrofone aufschnappten, landete ohne Verzögerung im Museum.

 Tomas Kleiner nimmt die Geräusche auf.

Tomas Kleiner nimmt die Geräusche auf.

Foto: Kleiner, Biermann

Im großen Wechselausstellungsraum zeigen drei Projektoren die Ergebnisse der Performance "Anlieger" vom Eröffnungstag. Dazu laufen die gespeicherten Töne - Gespräche, Lachen, Straßengeräusche. Bild und Ton sind nicht aufeinander abgestimmt. Das muss man erst einmal sortiert bekommen. Dann macht es total Spaß, sich auf die Bilder und die Geräusche einzulassen. Gänsehaut ist garantiert, wenn plötzlich die Orgel des Münsters schallend erklingt, während an der Wand ein Unkraut zwischen den Bordsteinplatten projiziert wird, oder die Straße, die der Kameraträger entlanggeht, oder ein völlig wackeliger Kameraschwenk in einem fremden Zimmer - irgendwo in der Nachbarschaft des Museums.

 Drei Projektionen sind parallel an der Wand zu sehen. Von den Tonträgern kommen Geräusche - auch mal Orgelmusik aus dem Münster.

Drei Projektionen sind parallel an der Wand zu sehen. Von den Tonträgern kommen Geräusche - auch mal Orgelmusik aus dem Münster.

Foto: Achim Kukulies

"Wir sind mit kindlichem Blick losgegangen", sagen Marco Biermann und Tomas Kleiner. Gespannt auf das, was sie erleben würden, neugierig auf die Menschen, völlig unverkrampft sind die beiden jungen Künstler in das Abenteuer gestartet. Zur Verstärkung hatten sie noch drei Performer eingeladen, sie zu unterstützen. Lästig waren nur die riesigen Kabelbündel, die sie mitschleppen mussten. "Die Kabel stellten die ganze Zeit die sichtbare Verbindung zum Ausstellungsraum her." Das war wichtig.

Die Künstler haben durchaus ungewöhnliche und unerwartete Situationen angetroffen - kleine Balkone mit Geranienbepflanzung und direktem Blick auf das Museum, idyllische Hinterhöfe und eigenartige Dachformationen. Oft konzentriert sich die Kamera auf ein alltägliches Detail - ein Spielzeug, Wasser, das in einen Abfluss läuft, ein Stückchen vom Calder-Stabile auf der Museumsterrasse.

Die Ausstellung "Von den Strömen der Stadt" ist noch bis zum 23. Oktober zu sehen. Die beteiligten Künstler sind jung und haben eine ganz eigene Sichtweise auf das Thema Kunst und Öffentlichkeit. Sie holen die Stadt ins Museum - mit Videos, Fotos und Installationen. Ach ja, die Nachbarn sind natürlich auch in die Ausstellung gekommen, um zu sehen, wie sie in der Arbeit von Tomas Kleiner und Marco Biermann weggekommen sind. Es hat ihnen gefallen.

Und das wiederum hätte Hans Hollein und Johannes Cladders besonders gut gefallen. Der Architekt des Museums Abteiberg und der damalige Direktor hätten sich das genau so gewünscht. Sie wollten, dass das Museum ein lebendiger Ort mitten in der Stadt für die Menschen der Stadt sein würde. Dazu hatten sie geplant, eine Schneise zur Hindenburgstraße zu schlagen - als direkte Anbindung. Das hat nicht geklappt, aber durch die neu geschaffene Verbindung des Museums in Richtung Sonnenhausplatz und die sieben Esel, die dort am 18. September begrüßt werden, wird sich eine Menge tun. Die aktuelle Ausstellung hat es jetzt schon geschafft, außen und innen zu verknüpfen. Bravo!

(RP)
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