Mönchengladbach Ein Hauch Woodstock im Schlosspark

Mönchengladbach · Ten Years After weckt bei der Sommermusik Erinnerungen an das legendäre Festival. Der Nachfolger des verstorbenen Gitarristen Alvin Lee, Marcus Bonfanti, erweist sich als würdiger Nachlassverwalter.

Linkshand-Bassist Colin Hodgkinson und Newcomer Marcus Bonfanti in Aktion auf der Sommermusik-Bühne.

Linkshand-Bassist Colin Hodgkinson und Newcomer Marcus Bonfanti in Aktion auf der Sommermusik-Bühne.

Foto: Detlef Ilgner

Begonnen hatte alles vor 50 Jahren: Damals gründete sich in England die Blues-Rock-Band Ten Years After; und im selben Jahr, Juni 1967, startete im kalifornischen Monterey das gleichnamige Pop-Festival, das als Auftakt eines bis dato beispiellosen Massenkults gilt: des Freilicht-Musikevents, das zwei Jahre später in Woodstock einen Gipfel erreichte.

Bei 900 Besuchern, die sich zum Gastspiel der britischen Kultband auf der Turnierwiese versammelten, kann man bei der Sommermusik Schloss Rheydt zwar nicht von Großevent reden, das will dieses vor zehn Jahren von Günter vom Dorp konzipierte Festivalformat auch gar nicht sein. Wichtiger, dass die Band Ten Years After, die immerhin hälftig von Mitgliedern der Gründungsbesetzung gebildet wird, genau zehn Jahre nach dem Rheydter Festivaldebüt mehr als einen Hauch Woodstock auf die Schlossbühne pustet. Im Publikum etliche Vertreter jener Jahrgänge, denen auch Alvin Lee und Konsorten angehören. Zu den verlässlichen Urgesteinen der Band, die oft in einem Atemzug mit Deep Purple oder Led Zeppelin genannt wird, zählen nach wie vor der Keyboarder Chick Churchill (71) und der gleichaltrige Drummer Ric Lee. 2013 stieß der Linkshand-Bassist Colin Hodgkinson (71) hinzu.

Dieses betagte Basistrio bereitet mit überraschender Intensität und Frische das solide Fundament für Newcomer Marcus Bonfanti (34), der somit nicht allein das Erbe der früheren Formation vertritt. Das wird sehr schön bei dem folkig zart getönten Song "I'd Love to Change the World" deutlich, wo der sonst gern heftig seine dunkle Mähne schüttelnde Frontmann melodisches Feingefühl mit zweistimmigem Fingerpicking auf der Gibson-Gitarre beweist. Und auch sonst erhalten Bassist Hodgkinson, Keyboarder Churchill sowie Schlagzeuger Lee (in "The Hobbit") Gelegenheit zu solistischer Entfaltung. Doch eins ist und bleibt unumstößlich: Ten Years After dienen vor allem einem Zweck - der möglichst breiten Selbstdarstellung der Spielmöglichkeiten der Sologitarre. Darüber verfügte der 2013 gestorbene Alvin Lee schon 1969 in schwer übertreffbarem Maße. Doch Bonfanti lässt in dieser Hinsicht keine Wünsche offen, seine Gitarre jubelt, heult, weint, lacht keckernd und motzt frech, dass es eine Hör-Lust ist. Vor allem setzt er das Credo der Rock-Saitenheroen fort, dass die Fortbewegung der Finger auf dem Griffbrett möglichst rasant zu geschehen habe. Und zwar immer. Was Paganini auf der Geige leistete, imitieren heute Gitarreros im Elektrofach. Diesem Prinzip vom Musizieren als Leistungssport, das Sachverständige der Klassik mitunter zum Stirnrunzeln nötigt, geht doch so manches kompositorische Detail im wilden Hagelsturm der Tonkaskaden verloren, huldigt auch Marcus Bonfanti. Zum Glück singt er sehr achtbar, wie es "Love like a Man" oder der Rock'n'Roll-Evergreen "I'm Going Home" eindrucksvoll beglaubigen.

Ebenso viel begeisterte Zustimmung wie Ten Years After kann das Trio DeWolff aus den Niederlanden zwar nicht verbuchen, aber diese Band vertritt in Frontmann Pablo van de Poel (Gitarre, Gesang) einen weiteren würdigen Sachwalter der großen Ära der Rockgitarre. Insofern hatte Veranstalter Günter vom Dorp Recht mit seinem eingangs geäußerten Hinweis, DeWolff sei keinesfalls nur als "Support" einzustufen.

Heute, 20.30 Uhr, kommt die Klassik mit den Niederrheinischen Sinfonikern an die Reihe. Morgen, 20 Uhr, endet die Sommermusik mit Günter vom Dorps Band FUN, die Nadine Stapper in den Vordergrund stellt.

(ri-)
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