Parc/Ours 2016 Drei Künstler - drei Ausstellungen - eine Galerie

Mönchengladbach · Drei Ausstellungen zeigt die Galerie Löhrl bis zum 5. November. Unsere Autorin hat sie zum Parc/ours-Wochenende getrennt voneinander betrachtet.

Parc/Ours 2016: Drei Künstler - drei Ausstellungen - eine Galerie
Foto: Detlef Ilgner

Dieter Nuhr Der Kabarettist und Künstler ist in den vergangenen zwei Jahren weit gereist. Mit einem genauen Blick auf die Dinge. Und mit seiner Kamera. Nach seiner letzten Ausstellung in der Galerie Löhrl im Frühjahr 2014 präsentiert er hier aktuelle Werke unter dem Titel "Nuhr auf Reisen" aus Georgien, Albanien, Indien und auch aus Deutschland. Es ist der Charme des Maroden, des offensichtlich Vergänglichen, es ist der Blick auf das Lapidare, das Zufällige, das Nuhr ins Auge springt - und dem Betrachter seiner Fotografien ebenso.

Abgesehen von der Distanz, die der Galeriebesucher natürlich zu den Motiven aus fernen Orten einnehmen kann, ist es der Blick des 1960 geborenen Fotografen Nuhr, der die Motive verwandelt in etwas sehr Verlockendes. Er schaut genau - und verändert in seiner Fotografie nichts, manipuliert nicht, fügt nichts hinzu oder lässt etwas weg. Sein Blick erfasst natürliche Gliederungen, spannungsvolle Linien, rätselhafte Aus- und Einblicke. Er fokussiert sie, dadurch allein erhalten sie Bedeutung. Und erhebt das Große zum Kleinen, das Kleine zum Großen. Farben und Kontraste sind leuchtend und scharf, ohne bunt und plakativ zu werden. Bei manchen Fotografien entsteht eine Illusion von Dreidimensionalität, die verwirrend ist. Es mag an dem textilartigen Kunststoffmaterial liegen, auf das die Bilder gedruckt würden, erklärt Nuhr.

Neu ist, dass Nuhr nun neben jede Fotografie einen Zettel hängt, auf dem eine kleine Skizze der Fotografie und einige Gedanken zu dem Motiv nachzulesen sind, die zu überdenken mindestens so anregend sind wie die Betrachtung der Fotografien. "Warum sind die Dinge so wie sie sind? Wir wissen es nicht. Wir blicken darauf und teilweise sogar dahinter. Und mit jedem Schritt kommen wir weiter. Aber auf jede Antwort folgen neue Fragen." So ist das mit der Kunst.

Annett Stuth Die Fotografin, 1965 in Leipzig geboren, gehört zu den Fotografinnen, die regelmäßig in der Galerie Löhrl ausstellen und deren künstlerische Entwicklung die Gäste damit gut verfolgen können. Stuth, die in Berlin lebt und arbeitet, studierte an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig. In ihren Fotografien verarbeitet sie ihre kritische Meinung über Welt und Gesellschaft. Folgerichtig lautet der Titel der aktuellen Ausstellung bei Löhrl "Weltansichten".

Die Technik, die Stuth einsetzt, um zwischen Raum und Zeit driftend inhaltlich die Dinge und Ereignisse miteinander zu verknüpfen, ist die Collage. Räume, Orte und Menschen aus unterschiedlichen Zeiten werden in verschachtelten Bildebenen zusammengefügt. Dabei verlässt Stuth gelegentlich auch die Zweidimensionalität und fügt neue konkrete Bildebenen ein. Gedanklich spielt sie bei ihren Arbeiten mit den Gedanken Einsteins über die Krümmung von Raum und Zeit, über die Möglichkeit, dass ein Ding zur gleichen Zeit an zwei Orten sein kann. Klarheit, ein besonderer Blick auf Architektur, das Einfangen der Atmosphäre - das ist es, was die Bilderserien von Stuth charakterisiert.

Christof Klute 1966 in Münster geboren, hat Klute Theologie, Philosophie und Fotografie studiert. Er war Meisterschüler bei Bernd Becher und Thomas Ruff. Das Prinzip der Serie, dem sowohl Becher als auch Ruff folgt, kommt seiner Erforschung der Welt entgegen. Räume, Häuser und Städte sind für Klute nicht allein gebaute Architekturen, sie sind immer auch subjektiv erfahr- und erlebbare Orte, deren Besonderheiten er aufspürt. Kleine Details in den Räumen des abgewickelten Gerling-Konzerns werden inszeniert und damit verfremdet: Türklinke, Lampe, Flaschenhalter - sie verlieren ihre funktionelle Bedeutung und werden zu Strukturen. Immer auch beschäftigt sich Klute mit Philosophie und Geschichte eines Ortes. In Tel Aviv nimmt er die Reste eines alten Busbahnhofs im Bauhausstil auf, in dessen Umgebung Wohnungslosen leben. Auf den fotografierten Betonresten sind existentielle Fragen aufgesprüht: Why am I here? What do I want to be? How did I get here? - Fragen, die im Anblick Hinterlassenschaften der Wohnungslosen hohe Brisanz erhalten.

Nicht nur Architektur interessiert den Fotografen. In Kopenhagen beging Klute den Weg, den Sören Kierkegaard täglich über drei Jahre ging und befasst sich damit fotografisch wie inhaltlich mit der von Kierkegaard in einem Aufsatz formulieren Prinzip der Wiederholung, "Wiederholung, das ist die Wirklichkeit und der Ernst der Dinge". Fotografische Serien sind auch eine Form von Wiederholung.

(RP)
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