Serie Mein Erstes Auto (3) Kaugummi fürs Radio, Kissen für den Sitz

Mönchengladbach · Heike Schuberts Derby sprang immer an. Es sei denn, man ließ das Radio an. Die Fensterscheiben blieben nur oben, wenn man ein Holzstück einklemmte. Auch sonst gab einige Macken. Für die Buchholzerin war das Auto trotzdem der "Hammer".

Heike Schubert machte ihren Führerschein am 20. Juni 1990, und ihr erstes Auto hat sie so geliebt, dass sie sich gerne auf Zeitreise begibt und die Geschichten von damals erzählt. "Es war der Sommer 1990 vor genau 25 Jahren. Fünf Wochen habe ich in den Sommerferien gearbeitet, um den Führerschein damit zu bezahlen und ein Auto kaufen zu können. In dieser Zeit haben wir die Stones und Beatles für uns entdeckt, The Police rauf und runter gehört und bis früh morgens zu Techno getanzt", erzählt Heike Schubert. Sie kommt aus Buchholz. "Dort gab es damals nichts. Um dem Land zu entfliehen, brauchte man ein Auto. Das war Freiheit!", sagt sie.

Ihr Vater hatte ihr erstes Auto, dieses Schmuckstück, entdeckt. "Eigentlich hat er als Rallyefahrer Ahnung von Autos. Ob er an diesem Tag nicht bei Sinnen war - keine Ahnung", erzählt Heike Schubert. Offensichtlich hatte ihr Vater an dem Fahrzeug so einiges übersehen.

In Wetschewell vor der Bahnunterführung stand das Auto: für 1600 D-Mark. Ein orange farbener VW Derby, Baujahr 1978.

"Der Hammer!", dachte Heike Schubert damals. Und dann berichtet sie: "Das Auto hatte eine lange Schaltstange - wie bei einem Traktor. Die Fensterscheiben blieben nur oben, wenn man ein Holzstück einklemmte. Bei Regen war schon mal Wasser im Kofferraum und im hinteren Fußbereich, was einen leicht muffigen Geruch verursachte, der mir immer noch in Erinnerung ist." Der Oberhammer sei aber das Kassettenradio gewesen. Dieses sei nur dann und wann in der richtigen Geschwindigkeit abgelaufen, nämlich nur dann, wenn man unter die Kassette ein Kaugummi klemmte, so eins, das in Silberpapier gewickelt ist. "Den Trick mußte man erst mal raus haben", erzählt Heike Schubert.

Dennoch sind es genau diese Dinge, an die Heike Schubert heute noch gerne mit ihrer Freundin Ute zurückdenkt.

Heike Schuberts Auto hatte sogar richtig massive Stoßstangen, "nicht so ein Plastikzeugs wie heute". Zwei Nebelscheinwerfer hatte es auch, allerdings ohne jegliche Funktion. Die Sitze waren total durchgesessen. "Sitzerhöhung gab es damals noch nicht, also hatte ich permanent ein Kissen unter dem Po, sonst hätte ich nicht übers Lenkrad schauen können", berichtet Heike Schubert.

Im Sommer sei das Wageninnere die reinste Sauna gewesen, im Winter waren die Scheiben auch schon mal von innen vereist. "Mein Derby hat mich aber nie im Stich gelassen. Angesprungen ist er immer, außer ich hatte vergessen, das Radio über Nacht auszuschalten", erinnert sich Heike Schubert. Trotzdem: Die Zeiten mit dem Derby waren für sie die zwei schönsten Jahre. Der Wagen fuhr und wurde gepflegt. "Jeden Samstag habe ich ihn per Hand gewaschen und sogar poliert."

Heike Schubert kutschierte ihre Freunde durch die Gegend und war froh, endlich "frei" zu sein. Der Wagen musste mit Super verbleit betankt werden. Der Liter kostete damals 1,35 DM. "Ich weiß gar nicht, wie viele Kilometer ich damit gefahren bin, mir kam es vor wie eine Ewigkeit, denn eigentlich waren wir permanent unterwegs." Heike Schubert denkt sehr gerne an die Zeit zurück und träumt auch heute noch von ihrem alten VW Derby.

Was man heute, nach 25 Jahren, wohl erzählen darf: Heike Schubert ist mit ihrem Derby auch ohne Tüv einfach weitergefahren. "Keiner hat es gemerkt, und es war ein wunderschönes Gefühl."

Wenn Heike Schubert heute einen Derby sieht, sagt sie zu ihren Kindern: "Guckt mal, das war mein erstes Auto, coole Karre!" Und dann fügt sie an: "Ehrlich. Ich würde gerne nochmal einen fahren!"

Nach zwei Jahren musste der Derby dann leider dich einem komfortablerem Uno weichen. Heike Schubert verkaufte ihn für 200 DM. "Den Derby werde ich immer lieben!", sagt Heike Schubert.

(RP)
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