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Serie "Was macht eigentlich?" Kämpfer und König mit zwei Herzen

Mönchengladbach · Für ein selbstständiges Wickrath, gegen die Braunkohlebagger, die seine Heimat im Erkelenzer Revier wegfressen: Hans-Josef Pisters hat seine ganze Kraft eingesetzt. Der "ungekrönte König von Wickrath" setzt sich bis heute unverdrossen für seine Mitbürger ein.

 Besondere Verdienste um Vereinsleben und Brauchtum: 1987 wurde Hans-Josef Pisters (links) als vierter Kreuzritter in den Kreis der Träger des Wickrather Kreuzherrenordens aufgenommen.

Besondere Verdienste um Vereinsleben und Brauchtum: 1987 wurde Hans-Josef Pisters (links) als vierter Kreuzritter in den Kreis der Träger des Wickrather Kreuzherrenordens aufgenommen.

Foto: Udo Dewie

Er war die rechte Hand in der Verwaltung von Bürgermeister Konrad Bäumer und Gemeindedirektor Wolfgang Krane. Und er hatte einen klaren Auftrag: Alles dafür zu tun, dass die Gemeinde Wickrath mit der NRW-Kommunalreform zum 1. Januar 1975 selbstständig "überlebte" und nicht von den großen Nachbarn Mönchengladbach und Rheydt geschluckt wurde. "Wir hatten gerade mal 15.000 Einwohner, Gladbach 150.000 und Rheydt 95.000", schildert Hans-Josef Pisters, heute 76 Jahre, die damalige Lage. "Aber wir waren eine wirtschaftlich gesunde Gemeinde."

Mit einem neuen Industriegebiet, um das Wickrath im ganzen Umland beneidet wurde und das den Wegbruch der den hiesigen Raum so lange prägenden Textilindustrie kompensierte. Als Glanzlicht stand dabei die Ansiedlung des C & A-Zentrallagers mit eigenem Gleisanschluss und 300 Arbeitsplätzen. Es gab ein enorm steigendes Gewerbesteueraufkommen für die Gemeinde und Investitionen, die direkt den Bürgern zugutekamen: eine Schule für jeden Ortsteil, die Kreisrealschule, das Volksbildungswerk und die Gemeindebücherei, ein kombiniertes Hallen- und Freibad, ein Freizeitzentrum im Schlossgelände.

 Die siebenköpfige Organisationskommission der Kommunalreform zum 1. Januar 1975 (von links): Pisters (Wickrath), Müsgen (Mönchengladbach), Langenfeld (Rheydt), Poos (Mönchengladbach); vorne Krane (Wickrath), Dr. Elbers (Mönchengladbach) und Freuen (Rheydt).

Die siebenköpfige Organisationskommission der Kommunalreform zum 1. Januar 1975 (von links): Pisters (Wickrath), Müsgen (Mönchengladbach), Langenfeld (Rheydt), Poos (Mönchengladbach); vorne Krane (Wickrath), Dr. Elbers (Mönchengladbach) und Freuen (Rheydt).

Foto: Stadtarchiv Mönchengladbach

Wickrath verhieß also eine attraktive Mitgift für die Dreier-Zwangshochzeit, die in Düsseldorf geplant wurde. Doch viele Politiker und Bürger wollten sich nicht einverleiben lassen. "So lange wir Wickraths Selbstständigkeit verteidigen können, tun wir das", sagte Bürgermeister Konrad Bäumer. Hans-Josef Pisters, später als Wickrather Amtmann zusammen mit den Leitenden Verwaltungsdirektoren Müsgen, Poos und Langenfeld aus Gladbach und Rheydt Mitglied der Organisatiskommission, erschien bei der entscheidenden Lesung des Gesetzes im Düsseldorfer Landtag mit Flugblättern gegen die Reform. Als man ihm die Verteilung verbot, ging er auf die Zuschauer-Empore und "verlor" dort die Blätter, die runter in den Plenarsaal segelten - worauf Pisters des Hauses verwiesen wurde.

Der spektakuläre Auftritt half indes ebenso wenig wie der Versuch, mit einer landesweiten "Aktion Bürgerwille" den Zusammenschluss zu verhindern: Bei der Abstimmung gab es in Gladbach 85 Stimmen gegen die Fusion, in Rheydt 7666 (10,8 Prozent). In Wickrath stimmten zwar 5516 Bürger dagegen (55,5 Prozent). Doch um ein Volksbegehren zu erreichen, hätten landesweit 2,4 Millionen Bürger unterschreiben müssen - tatsächlich taten es nur 720.000.

Der 1. Januar 1975 war dann also die Geburtsstunde des neuen Mönchengladbach. Hans-Josef Pisters erhielt mit der Ernennung zum Leiter der Bezirksverwaltungsstelle den Auftrag von Oberstadtdirektor Helmut Freuen, "nun mit dem gleichen Einsatz wie für Wickraths Selbstständigkeit" den Stadtbezirk in der neuen Stadt zu "verkaufen". Und Pisters tat mit aller Tatkraft das, wogegen er sich eh nicht mehr wehren konnte, bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2004. Friedel Coenen und Marianne Beckers durften sich als Bezirksvorsteher wie zuvor Bürgermeister Bäumer und Verwaltungschef Krane auf Pisters' Loyalität verlassen. Er erwarb sich als Verwaltungs-Fachmann einen Ruf, der auch lukrative Angebote für Aufgaben in der Mönchengladbacher Stadtverwaltung und im Umland brachte. "Doch ich bin so in Wickrath verwurzelt, dass ich alle ablehnte", sagt er.

 Weihnachten 1953 unter dem Tannenbaum mit Akkordeon: Josefine Pisters und ihr Sohn Hans-Josef. Der Vater war nicht aus dem Krieg zurückgekehrt.

Weihnachten 1953 unter dem Tannenbaum mit Akkordeon: Josefine Pisters und ihr Sohn Hans-Josef. Der Vater war nicht aus dem Krieg zurückgekehrt.

Foto: HJP

Dabei schlagen doch zwei Herzen in seiner Brust: Er ist in Keyenberg geboren und lebt seit gut 76 Jahren im heutigen Erkelenzer Ortsteil. Und es sind nur sieben Kilometer, also ein Katzensprung hinüber nach Wickrath, zu seiner zweiten Heimat. Fast ein halbes Jahrhundert, 47 Jahre, war dort sein Arbeitsplatz, immer unter demselben Dach: im Wickrather Rathaus. Dort begann er 1957 nach der Volksschule seine Lehre in der Gemeindeverwaltung: ("Meine Mutter hatte es sich als Kriegerwitwe nicht leisten können, mich aufs Gymnasium zu schicken oder gar studieren zu lassen." Er machte schnell Karriere, wurde zum wichtigsten Partner von Bürgermeister und Bezirksvorstehern, stieg auf vom Lehrling bis zum Stadtverwaltungsrat.

Doch er war keineswegs ein sturer Beamter, sondern stellte stets die Interessen der Bürger in den Mittelpunkt. Auch die einfachen Menschen liebten ihn. Als Pisters 2004 im Nassauer Stall von Schloss Wickrath verabschiedet wurde, dauerte es fast eine geschlagene Stunde, bis das Defilee all der Gäste vorüber war, die ihm für seine Arbeit danken und die Hand schütteln wollten. Und Pisters wurde bei den Reden immer wieder verlegen ob all des Lobs für ihn als Mann des Ausgleichs mit Harmonie und Hilfsbereitschaft, als "echten Kerl, auf den man schlecht verzichten kann". Bezirksvorsteherin Marianne Beckers schickte ihn mit dem Satz "Hans-Josef ist der ungekrönte König von Wickrath" in den Ruhestand.

 Schätzchen für das Wickrather Heimatmuseum: Hans-Josef Pisters überraschte im Januar 2017 bei den "Neujahrsgesprächen" des Heimat- und Verkehrsvereins den Vorsitzenden Uli Mones (l.) mit einem alten Ortsausgangsschild.

Schätzchen für das Wickrather Heimatmuseum: Hans-Josef Pisters überraschte im Januar 2017 bei den "Neujahrsgesprächen" des Heimat- und Verkehrsvereins den Vorsitzenden Uli Mones (l.) mit einem alten Ortsausgangsschild.

Foto: Foto Knappe

Heute blickt der 76-Jährige zufrieden zurück, hat längst seinen "Frieden" mit der Kommunalreform von 1975 gemacht: "Es gibt zwar immer noch manchen Bürger, der wehmütig an das selbstständige Wickrath denkt. Doch die Zwangsehe mit Gladbach und Rheydt hat uns viel gebracht, was wir alleine nicht hätten realisieren können. Herausragendes Beispiel ist die Sanierung von Schloss Wickrath, das 2002 Mönchengladbacher Schwerpunkt der EUROGA als einer der sieben Standorte der Dezentralen Landesgartenschau der Region Düsseldorf/Mittlerer Niederrhein war, Wickrath und die ganze Stadt landesweit in den Blickpunkt rückte."

 Hans-Josef Pisters im Garten seines neuen Heims mit dem Schild seines alten Arbeitsplatzes: "Bezirksverwaltungstelle Wickrath, Standesamt".

Hans-Josef Pisters im Garten seines neuen Heims mit dem Schild seines alten Arbeitsplatzes: "Bezirksverwaltungstelle Wickrath, Standesamt".

Foto: Jürgen Laaser
 Schauspieler Pisters: 1958 in der Theaterspielgruppe des Kirchenchors St. Cäcilia Keyenberg. "Glaub ans Glück", hieß das Stück.

Schauspieler Pisters: 1958 in der Theaterspielgruppe des Kirchenchors St. Cäcilia Keyenberg. "Glaub ans Glück", hieß das Stück.

Foto: HJP

Dafür, dass die Vergangenheit nicht vergessen wird, hält Hans-Josef Pisters daheim ein ganz besonderes Geschenk in seinem "Wickrath-Zimmer" bereit: eine umfangreiche Sammlung großer und kleiner Erinnerungsstücke aus der ehemals selbstständigen Gemeinde. "Darunter sind viele einmalige Schätzchen. Der Heimat- und Verkehrsverein bekommt alles, sobald er sein Heimatmuseum in Wickrath fertig hat."

(RP)
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