Mönchengladbach Jüdische Emigranten aus Wien träumen von der Welt der Operette

Mönchengladbach · Carsten Süss inszeniert eine Revue mit Glanzstücken aus Operetten jüdischer Komponisten, die von den Nazis als entartet gebrandmarkt worden waren.

 Szene mit Manon Blanc-Delsalle als Amber Rosenstock und Matthias Wippich als Arthur.

Szene mit Manon Blanc-Delsalle als Amber Rosenstock und Matthias Wippich als Arthur.

Foto: Stutte

"Wir wünschen uns mal wieder eine richtig schöne Operette" - dieses Ansinnen hören nicht nur die Damen an den Theaterkassen häufig. Doch eine solche gab es, abgesehen von der "Fledermaus", schon seit Jahren nicht mehr in unserem Theater.

 Janet Bartolova (als Ethel) und Debra Hays als Deborah Seligman.

Janet Bartolova (als Ethel) und Debra Hays als Deborah Seligman.

Foto: © Matthias Stutte

Bereits eine Woche vor der Premiere war die Operettenrevue ausverkauft, die der Tenor Carsten Süss - aus "Mazeppa" und "Rienzi" den Theatergängern bekannt - mit viel Liebe zu diesem Genre auf die durch Drehvorrichtung aufgewertete Studio-Bühne gebracht hat. In einfachen Kulissenwänden mit je drei Türen und sparsamem Mobiliar agieren vier Sängerinnen und zwei Sänger - vier aus dem Opernstudio.

Deborah Seligman, die in New York mit ihrem Sohn lebende Witwe eines jüdischen Emigranten aus Wien, muss das zuvor betriebene Schallplattengeschäft verkaufen und bewahrt zur Erinnerung noch einige der die Vergangenheit verklärenden Operettenplatten auf. Zu dieser Rahmenhandlung erklingen vornehmlich Melodien jüdischer Komponisten wie Oscar Straus, Leo Fall, Emmerich Kálmán oder Paul Abraham. Deren Werke, die einst die klassische Operette nachhaltig prägten, wurden von den Nazis als "entartet" verteufelt und verboten. Diese wertvolle Musik vor dem Vergessen zu bewahren, war Carsten Süss' Motivation für sein sehr gelungenes Regie-Erstlingswerk.

Mit Debra Hays als resolute, dann wieder betulich der Vergangenheit anhängende Deborah Seligman und Janet Bartolova als deren mannstolle Nachbarin Ethel (in raffinierter, ständig wechselnder und äußerst vorteilhafter Garderobe von Rina Cervinscaia) sind Protagonistinnen auf der Bühne, die sich mit beachtlicher Beweglichkeit und hinreißendem Charme ins Handlungsgetümmel werfen. Matthias Wippich ist das Muttersöhnchen Arthur, das gern Frauenkleider trägt (umwerfend sein "Ungarlied" aus Abrahams "Viktoria und ihr Husar" mit wallendem Federfummel, Stöckelschuhen und riesigem Hut) und erst durch die geduldige Liebe Rachels (Amelie Müller mit gewinnender Ausstrahlung und silbrigem Schöngesang) zum "richtigen" Mann wird.

Schließlich ist da John Wong (James Park), Student und mit Studiengeld geköderter Liebhaber der nicht mehr ganz jungen Ethel, der dank seines strahlkräftigen Tenors und seiner umwerfenden Direktheit das Herz der sanften Amber Rosenstock gewinnt. Diese verkörpert Manon Blanc-Delsalle, deren Mezzosopran wunderschön mit ihrem ungekünstelten Spiel harmoniert.

Kapellmeister Michael Preiser, an diesem Abend Schwerarbeiter am Flügel, hatte schon im Vorfeld ganze Arbeit geleistet und die gefälligen Melodien für Klarinette, Violine, Viola, Cello und Kontrabass arrangiert. Das mit Akkuratesse, Schwung und Spielfreude mitgestaltende Miniorchester aus Mitgliedern der Niederrheinischen Sinfoniker wurde nach zwei Stunden ebenso begeistert gefeiert wie die Akteure auf der Bühne und das Regieteam, Choreograf Salvatore Nicolosi eingeschlossen.

Wer sich die Fähigkeit bewahrt hat, einfach nur mal zu träumen, ohne tiefschürfende Wahrheiten zu erwarten, sollte die Operettenrevue "Wär' nur die Sehnsucht nicht so groß" nicht verpassen. - Die nächsten Vorstellungen sind Samstag, 7. 2., Sonntag, 15. 2., und Freitag, 27. 2. - jeweils um 20 Uhr im Studio.

(oeh)
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