Mönchengladbach Jeder kann Beitrag zur Gerechtigkeit leisten

Mönchengladbach · Friedensnobelpreisträger Kailash Satyarthi kämpfte in 140 Ländern gegen Kinderarbeit. Gestern tat er das in Gladbach.

 Gestern Vormittag sprach Kailash Satyarthi mit Schülern des Humanistischen Gymnasiums.

Gestern Vormittag sprach Kailash Satyarthi mit Schülern des Humanistischen Gymnasiums.

Foto: Isabella Raupold

Gütig und immer freundlich schauen die braunen Augen hinter den Brillengläsern, auch dann, wenn Kailash Satyarthi den 800 Zuhörern im Saal der Kaiser-Friedrich-Halle Betrübliches mitzuteilen hat. Dabei könnte sein zentrales Thema, Kindersklaverei und Kinderzwangsarbeit, nachvollziehbar Zornesfalten ins Gesicht zeichnen. Doch dieser Gast aus Indien empfindet anders, nachhaltig positiv. Im Herbst 2014 bekam der Inder, dem seine Eltern einen Vornamen gaben, der an den heiligsten Berg Tibets erinnert, in Oslo den Friedensnobelpreis. Das Nobelpreiskomitee ehrte damit, zusammen mit der pakistanischen Kinderrechte-Aktivistin Malala Yousafzi, den indischen Elektro-Ingenieur für seinen jahrzehntelangen Kampf gegen eine der schlimmsten Geißeln der Menschheit. "Bisher hat Satyarthi 80.000 Kindern weltweit den Weg aus der Sklaverei und Prostitution zurück in ein normales Leben gebahnt", betonte der Unternehmer Robert Bückmann, Schirmherr des Vortrags der Reihe "Nobelpreisträger in Mönchengladbach".

Für seine von dezenten Gesten untermalte Rede benötigte der 62-jährige prominente Gast - gekleidet in einen weißen indischen Rock, darüber eine braune, offene Weste - kein Redemanuskript. Und so ist er vollkommen glaubwürdig, wenn er von der Nobelpreisverleihung diese Anekdote erzählt: "Ich sollte in Oslo eine abgelesene Rede halten, das liegt mir aber gar nicht, versuche ich doch immer eine direkte Verbindung zum Auditorium herzustellen", gestand Kailash Satyarthi. Auf Bitten des Nobelpreiskomitees ließ er sich schließlich dazu herbei, Stichworte auf einem Zettel zu notieren. "Den verlor ich dann allerdings kurz vor meiner Rede", berichtete mit Schalk in den Augen jener Mann, der die versammelte Zuhörerschaft gestern aufrief, "die Welt etwas besser zu machen".

Besonders rührte eine märchenhafte Geschichte aus seiner Kindheit an: Als im Dschungel Feuer ausbricht, macht der Kolibri Anstalten, mitten in den Brandherd hineinzufliegen. Als ihn der Löwe fragt, wieso er Selbstmord begehen wolle, antwortet der kleine Vogel: "Ich habe einen Tropfen Wasser im Schnabel, den setze ich ein, um zur Löschung des Brandes beizutragen." Satyarthi appellierte an das Publikum: "Entdecken Sie Ihren Kolibri in sich und leisten Sie Ihren Beitrag." Eben dafür, dass die Zahl der Kinder, die statt eine Schule zu besuchen zu Sklavenarbeit gezwungen werden, weiter abnimmt. Für seine neue Stiftung "100 Millionen für 100 Millionen" erbat der Aktivist Unterstützung auch aus Deutschland.

Der Friedensnobelpreisträger kann verblüffende Erfolge vermelden: So hätten vor 15 Jahren noch mehr als 200 Millionen Kinder unter unmenschlichsten Bedingungen schuften müssen, heute seien es noch 168 Millionen.

Im Zuge seines Besuchs in Mönchengladbach machte Satyarthi auch Station in einer Schule. Gestern Vormittag besuchte er das Humanistische Gymnasium. Gebannt lauschten die Schüler den Worten des Friedensnobelpreisträgers. Einige bekamen Gänsehaut durch die Bilder, die von seinen Einsätzen zur Befreiung versklavter Kinder gezeigt wurden. "Es ist unglaublich, was er leistet", sagte die 18-jährige Pia. "Ich habe mir vorgenommen, sein Engagement zu unterstützen." Die Schüler, die sich in den vergangenen Wochen intensiv mit Kinderarbeit und der Mühe des Inders, diese abzuschaffen, auseinandergesetzt hatten, konnten ihm Fragen stellen.

In seinen Antworten forderte er die Schüler der zehnten und elften Klassen dazu auf, die Welt als ein Ganzes zu sehen. "Wir sehen alle denselben Himmel, dieselbe Sonne und denselben Mond", sagte er. Genauso wie der Klimawandel oder der zunehmende Terror ein Problem für die ganze Welt darstellten, sei auch Kinderarbeit etwas, das nicht nur ferne Länder betreffe. Denn jedes Kind habe das Recht, Kind zu sein, frei zu sein und Bildung zu erfahren. Und dafür könne jeder kämpfen.

Am Ende hatte Satyarthi noch eine letzte Botschaft für die Schüler. Es sei eine Formel, die er ihnen als Freund vermitteln wolle. "Sie heißt 3D", sagte er. "Dream" (deutsch: träume), "discover" (deutsch: entdecke) und "do" (deutsch: handle). So sollen die Schüler nicht nur für sich, sondern für die gesamte Welt, für eine bessere Welt träumen. Entdecken sollen sie zunächst die Kraft, die in jedem Einzelnen stecke und schließlich die Möglichkeiten, die ihnen zur Umsetzung der Träume zur Verfügung stehen. Ist das getan, sollen sie handeln, die Träume und Entdeckungen in die Tat umsetzen.

"Kailash Satyarthi und auch die anderen Nobelpreisträger, die das Huma schon besucht haben, sind eine Inspiration für die Schüler", sagte der stellvertretende Schulleiter Thomas Hollkott. Er hoffe, dass sich diese Tradition fortsetzt.

(ri-)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort