Mönchengladbach Innenministerium gegen Verteilung von Jodtabletten

Mönchengladbach · Um die Bevölkerung vor radioaktiver Strahlung im Falle eines Atommeiler-Unfalls zu schützen, hatte die Stadt Mönchengladbach geplant, präventiv und nicht erst im Ereignisfall Jodtabletten an die Bürger zu verteilen. Doch dazu wird es nicht kommen.

Das Atomkraft Tihange steht seit Jahren in der Kritik.

Das Atomkraft Tihange steht seit Jahren in der Kritik.

Foto: dpa, obe fdt

Hintergrund ist die Sorge über die mangelnde Sicherheit der belgischen Atomkraftwerke Tihange und Doel, bei denen es schon mehrfach zu Störungen kam. Erst vor wenigen Tagen hatte Belgien mitgeteilt, ab 2017 Jodtabletten an alle Bürger im Umkreis von 100 Kilometern um ein Atomkraftwerk zu verteilen. Bisher werden die Tabletten nur in einem Umkreis von 20 Kilometern ausgegeben. Um alle Bereiche der Stadt einzubeziehen, wurde der Radius im Fall von Mönchengladbach sogar auf 200 Kilometer ausgeweitet.

Keine Tabletten für Bevölkerung

Doch zur Ausgabe der Tabletten wird es in Gladbach wohl nicht kommen. "Es laufen Abstimmungsgespräche zwischen dem NRW-Innen- und Gesundheitsministerium", sagte Stadtsprecher Dirk Rütten noch am Morgen. Wenig später teilte eine Sprecherin des Innenministeriums mit, dass das Land weiter auf der zentralen Lagerung der Jodtabletten in den Kommunen bestehe. Den Behörden werde nicht erlaubt, die Tabletten an die Bevölkerung zu verteilen.

"Die Landesregierung nimmt die berechtigte Sorge der Menschen wegen der belgischen Meiler Tihange und Doel sehr ernst", sagte Innenminister Ralf Jäger. In NRW werden aktuell die Jodtabletten dezentral in Krankenhausapotheken aufbewahrt. Werden sie an Haushalte verteilt, wird befürchtet, dass die Jodtabletten, die bei unter 45-Jährigen die Aufnahme von radioaktivem Jod in die Schilddrüse behindern und so Schilddrüsenkrebs verhindern sollen, fehlerhaft eingenommen werden. Oder aber, dass die Menschen im Ernstfall nicht mehr wissen, wo sie die Tabletten deponiert haben.

Den richtigen Moment finden

Nach Angaben von Heinz Smital, Kernphysiker und Atomexperte bei Greenpeace, gibt es noch ein weiteres Problem: "Es ist sehr schwierig, den richtigen Moment für die Einnahme der Tabletten abzupassen." Etwa eine Stunde bevor die radioaktive Strahlung ankommt, müsse dies geschehen. Schon bei einer wenig späteren oder etwas zu frühen Einnahme, seien die Tabletten wirkungslos.

Zwar können die Jodtabletten die Schädigung der Schilddrüse durch radioaktive Strahlung verringern, viele andere dadurch verursachte körperliche Schädigungen werden damit aber nicht verhindert. "Es kann unter anderem zu Knochenkrebs, Tumoren, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Schädigungen der Augenlinse kommen", sagt Smital.

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