Serie Denkanstoss Illegales Autorennen mit Todesfolge: Ist es Mord?

Mönchengladbach · Eine Stadt ist traumatisiert. Nachdem es in Millionenstädten wie Berlin und Köln illegale Autorennen mit tödlichen Folgen gegeben hat, ist es nun auch bei uns in Mönchengladbach dazu gekommen.

 An der Unfallstelle erinnern ein Kreuz, Blumen und Kerzen an den getöteten 38-Jährigen.

An der Unfallstelle erinnern ein Kreuz, Blumen und Kerzen an den getöteten 38-Jährigen.

Foto: Andreas Gruhn

In der Nacht von Freitag auf Samstag lieferten sich drei Autofahrer ein illegales Autorennen in der Gladbacher Innenstadt. Einer der Fahrer überholte mit 90 Stundenkilometern seine Rivalen und fuhr auf die Gegenfahrbahn. Dabei erfasste er einen 38-jährigen Passanten, der 36 Meter in die Luft geschleudert wurde und verstarb. Wo immer ich mit Menschen zusammenkomme, ist dieser schreckliche Vorfall Gesprächsthema. Entsetzen paart sich mit Wut, Trauer und vielen Fragen. Zahlreiche Menschen beschäftigt die juristische Beurteilung dieses Vorfalls.

Ist es Mord? Das bejahen viele und sehen sich durch das jüngste Urteil in Berlin bestätigt. Derzeit prüft der Bundesgerichtshof, ob dieses Urteil rechtskonform ist. In der Tat hat auch der Raser in Mönchengladbach billigend in Kauf genommen, dass Menschen bei seinem Wettrennen zu Schaden kommen, ja sogar getötet werden konnten. Von daher finde ich die Feststellung eines Tötungsdeliktes gerechtfertigt. Wenn das Berliner Urteil bestätigt wird, könnte dem Autofahrer eine lebenslange Haftstrafe bevorstehen.

Was mich interessiert: Was für ein Mensch ist dieser Autofahrer? Dabei kommen verblüffende Details ans Tageslicht: Es handelt sich um einen 28-jährigen Viersener, völlig unbescholten, als Installateur tätig, der in geordneten Verhältnissen lebt und mit der Polizei bislang noch nicht in Berührung gekommen ist. Bei solchen illegalen Autorennen denke ich zuerst an brutale Typen, die über Leichen gehen können. Das scheint bei dem 28-jährigen aber nicht der Fall zu sein. Ich frage mich: Was ist in ihm gefahren? Wie konnte er so etwas nur machen? Wenn er das illegale Autorennen mit den anderen Fahrern bereits im Fastfood-Restaurant verabredet haben sollte, würde ihn das noch mehr belasten. Wie konnte er nur seine Existenz und seine Zukunft aufs Spiel setzen für dieses riskante Manöver? War es der besondere Kick? Der Mut zum ultimativen Risiko? Fragen über Fragen.

Dazu kommt noch, dass Verwandte, Bekannte und eine Verlobte mit in den Autos saßen. Warum haben sie nicht mäßigend eingreifen können? Aber so heißt es: mitgegangen, mitgefangen, mitgehangen. Auch sie haben sich mit schuldig gemacht. Diesmal ist es nicht beim Schrecken geblieben. Bleibt zu hoffen, dass die Politik jetzt für klare Verhältnisse sorgt und einheitliches Recht spricht. Es kann nicht angehen, dass einmal so entschieden wird und einmal so. Nein, hier muss eine klare Linie gefunden werden, damit so etwas nie wieder passiert und alle gewarnt sind: Wer bei illegalen Autorennen mitmacht, wird hart bestraft. Es ist schon ein Unterschied, ob es sich nur um eine Ordnungswidrigkeit handelt oder um eine Straftat.

Das schreckliche Ereignis am Freitag ruft uns in Erinnerung, dass die Zehn Gebote auch heute noch sehr wertvoll sind und für unsere Gesellschaft geradezu überlebensnotwendig sind. Das Gebot "Du sollst nicht töten" ist wie eine Leitplanke, die uns vor dem Hinabstürzen bewahrt. Wer sich an dieses wie auch an die anderen Gebote hält, fährt damit gut durchs Leben.

MARTIN GOHLKE IST PFARRER DER EVANGELISCHEN KIRCHENGEMEINDE WICKRATHBERG.

(RP)
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