Mönchengladbach Hoffnungsträger im Iran - die Frauen

Mönchengladbach · Der iranisch-deutsche Schriftsteller Bahman Nirumand sprach in der VHS über Widersprüche und die komplexen politischen Gegebenheiten seines Heimatlandes. Er sieht Chancen für eine Wiederannäherung Irans an den Westen.

 Nach seinem aufschlussreichen Vortrag beantwortete Bahman Nirumand (rechts, neben Moderator Peter Brollik) bereitwillig Fragen aus dem Publikum.

Nach seinem aufschlussreichen Vortrag beantwortete Bahman Nirumand (rechts, neben Moderator Peter Brollik) bereitwillig Fragen aus dem Publikum.

Foto: Jörg Knappe

Bahman Nirumand ist im September 1936 in Teheran geboren, doch den größten Teil seines bisher 78-jährigen Lebens hat der iranische Germanist, Journalist und Schriftsteller in Deutschland verbracht. Nun war er zu Besuch in Gladbach, um auf Einladung der Grünen und der Heinrich-Böll-Stiftung über sein ursprüngliches Heimatland zu sprechen. Über Islam, Atomverhandlungen, den Nahen Osten - so die Schlüsselbegriffe seines Vortrags beim "Grünen Salon" in der Volkshochschule.

Nirumand ist ein profunder Kenner der Geschichte des Iran, also jenes nach wie vor von den Mullahs mit eiserner Hand beherrschten Staates, der nicht zuletzt infolge des von den USA vom Zaun gebrochenen Irak-Krieges zu einer Hegemonialmacht im Mittleren Osten avancierte. Und er tappt nicht, wie viele Deutsche, in die Desinformations-Falle westlicher Staaten, die den Iran noch immer allein als Hort eines rückwärtsgewandten islamischen Fundamentalismus sehen. Mit den religiösen Eiferern verbindet den politisch nüchtern denkenden Bahman Nirumand gar nichts, aber er folgt auch nicht der wohlfeilen westlichen Polemik, wonach religiöse Differenzen die Hauptursache für bestehende Spannungen seien. "Religiöse Konflike sind nur vorgeschoben", sagt Nirumand, "es geht immer um politische Bestrebungen, um die Macht."

Das war schon so, als mithilfe der amerikanischen CIA der "erste Demokrat des Iran", Mohammed Mossadegh, gestürzt und ein Vasall der Amerikaner, Schah Reza Pahlevi, inthronisiert wurde. Die vertrackten inneren Widersprüche des Iran traten auch im Referat des Autors zutage: So meldete er die frustrierende Tatsache, dass die vom Volk gewählten parlamentarischen Institutionen gegen Entscheidungen des mullahgesteuerten Wächterrates absolut nichts ausrichten können. Andererseits zeige der mutige Kampf gerade der weiblichen Bevölkerung für mehr Freiheitsrechte, dass nicht alles so bleiben werde, wie es ist. "70 Prozent der Studierenden sind Frauen", betonte in der Diskussion der Gladbacher Psychiater Dr. Ralf Seidel, Vorsitzender der Hans-Jonas-Gesellschaft. Überhaupt sei zu beobachten, dass sich die Jugend des Landes von der religiösen Propaganda, wie sie der Ex-Präsident Ahmadinedschad eifrig geschürt hatte, weitgehend entfernt habe. "Sie wollen frei sein", sagte der Gast aus Berlin.

Dass er gleichwohl kein ausschließlich kühl abwägender Analytiker ist, gab Nirumand preis, als er die Meinung äußerte, "Saudi-Arabien ist ganz furchtbar, das Land ist mehrere hundert Jahre zurück", und so die ebenfalls seit Jahrhunderten bestehende Distanz zwischen Persern und Arabern bekräftigte. Hier mal Klartext: Einer Frau, die wegen Ehebruchs gesteinigt wird, wird es egal sein, ob diese grausame Strafe in Riad oder in Täbris vollzogen wird. Und solange die Aussage einer Frau vor Gericht nur halb so viel Gewicht hat wie die eines Mannes, muss das Justizwesen dieses Landes als vorgestrig gelten.

Immerhin meldete Nirumand, wieder aus weiblichen Kreisen, bemerkenswerte Bestrebungen, seit der gemäßigte Rohani Präsident ist: "Es gibt eine Gruppe, die sich ,Islamische Feministinnen' nennt", informierte der Referent. Andererseits las er auch dem Westen, der so gern die Menschenrechte aufs Panier hebe, die Leviten: "Die Menschenrechte spielen, auch bei den Amerikanern, allenfalls auf dem Papier eine Rolle, sie sind vollkommen sekundär", dämpfte er Hoffnungen. Und erinnerte an den riesigen Blutzoll, den die Iraker in dem von den USA "mit einer Lüge begründeten und begonnenen Krieg" zu entrichten hatten: 500 000 Tote!

Dennoch: Westliche Unternehmen, gerade auch in Deutschland, stünden längst in den Startlöchern, um wieder Geschäfte mit dem Iran zu machen, sobald die Sanktionen beendet sind. Sie warteten auf ein positives Ende der Verhandlungen über die friedliche Nutzung der Atomkraft im Iran.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort