Mönchengladbach Heizen mit Abwasser

Mönchengladbach · Wärmetauscher in Kanälen machen es möglich: Aus Schmutzwasser kann Energie gewonnen werden, die zum Heizen und Kühlen ganzer Gebäudekomplexe dient. Die NVV sucht Partner, um ein Pilotprojekt zu starten.

Wer hat's erfunden? Die Schweizer. Was für eine bekannte Kräuterbonbon-Marke gilt und augenzwinkernd auf Käse, Kuhglocken und Taschenmesser ausgeweitert werden kann, gilt auch auf dem Gebiet der regenerativen Energien. Denn bei der Wärmenutzung aus Abwasser sind die Eidgenossen weltweit federführend.

So betreibt etwa das Elektrizitätswerk Zürich seit 1999 im Pilotversuch eine Anlage mit einem 200 Meter langen Wärmetauscher, mit dem 40 Prozent der benötigten Gesamtenergie von 900 Wohnungen gewonnen werden. Eingespart werden pro Jahr 1500 Tonnen Kohlendioxid, pro Stunde ersetzt die Anlage 100 Liter Heizöl.

Relativ neue Technik

"Noch ist die Technik relativ jung", sagt NVV-Hauptabteilungsleiter Armin Marx. "Wir suchen derzeit Investoren, um konkrete Projekte per Contracting-Verfahren umzusetzen." Allzu aufwändig ist das nicht — allerdings müssen mehrere Voraussetzungen zusammentreffen, um die Wärmenutzung aus Abwasser wirtschaftlich zu gestalten. Kanalgröße, Mindest-Fließgeschwindigkeit, ein Mindestpegel im Rohr, eine gewisse Zahl angeschlossener Haushalte, die ihr Abwasser einleiten (in Mönchengladbach 10 000), hydraulische Reserven der Rohre, Entfernung zum Abnehmer: "64 der 1339 Kanal-Kilometer in Gladbach eignen sich für eine Nutzung der Wärme-Energie", sagt Marx — nur knapp fünf Prozent.

Das Grundprinzip: Abwasser hat selbst im Winter eine feste Temperatur von 10 bis 15 Grad, bedingt durch Duschen, Wasch- und Spülmaschinen oder aufgrund von Kühlwasser der Industrie. Diese Energie kann genutzt werden, indem die Wärme durch Kompressoren und Wärmetauscher entnommen wird — im Winter zum Heizen, im Sommer zum Kühlen. "Die Wärmetauscher können nachträglich ins Kanalnetz eingebaut oder bei einer Neuverlegung in die Rohre integriert werden", sagt Marx.

Genutzt werden kann sowohl reines Schmutz- als auch Mischwasser — bei bloßem Regenwasser hingegen wäre die Temperatur zu gering. Über Leitungen gerät die durch den Wärmetauscher gewonnene Energie zu den Heizzentralen der angeschlossenen Gebäude. Dort wird die Temperatur dann mittels einer Wärmepumpe auf das benötigte Niveau reguliert.

"Schulen, Verwaltungsgebäude, große Mehrfamilienhäuser" — so bezeichnet NVV-Wasserexperte Hans Spinnräker die möglichen Abnehmer für Energie aus Abwasser. Diese sollten maximal 200 Meter von der Wärmepumpe entfernt sein und mindestens 300 Kilowatt abnehmen: "Alles andere ist nicht rentabel." Die 64 Kanal-Kilometer, die sich in Gladbach für die Wärmenutzung eignen, umfassen im wesentlichen die Trasse des neuen Mischwasser-Entlastungssammlers Dahl-Hamern-Neuwerk und dessen Nebenleitungen.

Die Serie "Neue Energie" ist eine Kooperation von NVV und Rheinischer Post

(RP)
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