Mönchengladbach Gülistan Yüksel in Sorge um die Türkei

Mönchengladbach · Die Mönchengladbacher Bundestagsabgeordnete nennt die Geschehnisse in ihrem Heimatland einen "Alptraum" und ruft dazu auf, den Dialog mit der Türkei fortzusetzen. Sie hat 1980 schon einmal einen Putsch erlebt.

 Die Abgeordnete Gülistan Yüksel (SPD) bei einer Rede im Bundestag vor zwei Wochen.

Die Abgeordnete Gülistan Yüksel (SPD) bei einer Rede im Bundestag vor zwei Wochen.

Foto: Deutscher Bundestag / Achim Melde

Der Schock ereilte Gülistan Yüksel (SPD) beim Blick aufs Handy. Gerade hatte die aus der Türkei stammende Mönchengladbacher Bundestagsabgeordnete am Freitagabend ihr Wahlkreisbüro verlassen und wollte nach Hause fahren, da sah sie die ersten Nachrichten über den Militärputsch in ihrem Geburtsland auf ihrem Mobiltelefon. Die ganze Nacht über verfolgte sie mit ihrem Mann die Lage im deutschen Fernsehen und im Internet, immerhin kam schnell die Nachricht von den Verwandten in der Türkei, dass es ihnen gut gehe und sie in Sicherheit seien. Trotzdem: Die Politikerin ist in Sorge um ihr Land.

"Es ist deprimierend, was weltweit und um uns herum passiert", sagt Yüksel. Mit einigen Tagen Abstand zum versuchten Militärputsch in der Türkei spricht die Mönchengladbacherin immer noch von einem "Alptraum". "Ein Putsch ist nicht der richtige Weg, eine demokratisch gewählte Regierung abzusetzen." Was seit Freitag geschehen ist, die Verhaftung tausender Juristen und Oppositioneller, die offen ausgetragenen Debatten um die Wiedereinführung der Todesstrafe machen ihr Angst, wie sie zugibt. Angst mache ihr aber auch, was vielerorts an falschen Behauptungen durch die sozialen Netzwerke geistere. "Das Volk darf nicht aufgehetzt werden. Das ist das Wichtigste", sagt Yüksel, die seit 2013 Mitglied des Bundestages ist. Die 1962 in Adana, Türkei, geborene Politikerin war im Jahr 1970 nach Deutschland gekommen. Sie saß für die SPD lange im Rat der Stadt und war Vorsitzende des Integrationsrates.

Die Abgeordnete ruft dazu auf, den Dialog der europäischen Länder mit der Türkei fortzusetzen. Die demokratischen Kräfte in dem Land müssten gestärkt werden, das Volk müsse beruhigt werden, und das ginge eben vor allem über den Fortgang der Gespräche. "Die Tür darf nicht zugeschlagen werden. Man muss im Austausch bleiben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendjemand ein System mit Todesstrafe will - auch nicht diejenigen, die jetzt auf die Straße gehen." Hoffnung mache ihr, dass es noch sehr viele Menschen in der Türkei gibt, die sich für die Demokratie stark machen. Diese müssten unterstützt werden.

Einen Militärputsch in der Türkei hat Yüksel bereits am eigenen Leib erfahren. Im September 1980 putschte sich das Militär zum dritten Mal in der Türkei an die Macht und verhängte Ausgangssperren und Ausgehverbote, als Yüksel aus Deutschland anreiste und gerade ihren verstorbenen Vater beisetzen wollte. Nur unter großen Schwierigkeiten war die Bestattung möglich. Damals hatte es in der Folge des Putsches hunderttausende Festnahmen gegeben, und 517 Menschen wurden zum Tode verurteilt.

Aufgrund der unklaren Lage haben eine Reihe Türken in Gladbacher ihre geplante Reise in das Land abgesagt. Flüge wurden storniert aus "Sorge, nicht wieder zurückreisen zu können", wie eine Betroffene sagt, die nicht genannt werden möchte. Yüksel stimmt das traurig: "Es ist sehr bedauerlich, dass viele Menschen aufgrund der Umstände ihre Türkeireise absagen."

(RP)
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