Serie Denkanstoss Gott ist nicht "einsame Spitze"!

Mönchengladbach · Wie unser Autor im Taufunterricht in der Rheydter Hauptkirche den Erwachsenen Gott erklärt - darunter auch Flüchtlingen.

 In der Rheydter Hauptkirche am Markt geht Pfarrer Olaf Nöller mit Taufbewerbern auf Spurensuche.

In der Rheydter Hauptkirche am Markt geht Pfarrer Olaf Nöller mit Taufbewerbern auf Spurensuche.

Foto: Nöller

Inzwischen habe ich mir angewöhnt, Taufunterricht für Erwachsene - darunter sind auch Flüchtlinge - in unserer Rheydter Hauptkirche zu halten. Es ist spannend und auch für mich lehrreich, dort mit Taufbewerbern auf Spurensuche zu gehen. Der in den letzten 20 Jahren etappenweise restaurierte Raum eröffnet durch seine architektonische Anordnung und seine religiösen Symbole mannigfaltige Möglichkeiten, wenn's darauf ankommt, Inhalte des christlichen Glaubens anschaulich zu vermitteln. Abstrakte theologische Informationen in Köpfe zu stopfen, das ist nach meiner Erfahrung wenig fruchtbar und nachhaltig.

Nicht leicht ist es, deutlich zu machen, dass Gott, den wir nach christlicher Tradition "dreieinig" oder "dreifaltig" nennen, nicht "einsame Spitze" ist. Gott ist kein unbewegter Beweger und auch kein ungerührter Despot, der über allem thront, sondern der Ewige ist in sich selbst Gemeinschaft und Dynamik. Gott ist Vater, Sohn und Heiliger Geist. Obwohl zu allen Zeiten der Vorwurf des Polytheismus, der Vielgötterei, im Raum stand, bestehen Christen darauf, dass es sich bei der "Trinität" nicht um eine Art göttliches "Dreigestirn" handelt, sondern um den einen Gott Israels, der Himmel und Erde erschaffen hat.

Gott ist wirklich nur EINER - wie es auch Muslime mit ihrem Monotheismus betonen. Und doch sagen wir: "In Gott ist mächtig was los, denn Gott ist die Liebe!" Liebe, das weiß jeder, sie genügt nie nur sich nicht selbst. Liebe setzt in Bewegung; sie drängt aus sich heraus. Darum hält Gott sich nicht abseits der Fragen und Nöte seiner Geschöpfe; nein, den liebenden Gott zog und zieht es immer neu "nach unten". Gott kam in Israel zur Welt. In diesem kleinen, oft bedrängten Volk der Juden wurde Jesus geboren, um für alle da zu sein. Gott identifizierte sich vollkommen mit ihm. Darum ist der Ewige auch "Vater" und "Sohn".

Wenn der "Heilige Geist" thematisiert wird, dann denken viele Zeitgenossen: "Zu abstrakt!" Dabei meint das hebräische Wort "Ruach" einen kräftigen Wind wie auch die sanfte Brise, die einem zärtlich die Haut streichelt. "Ruach" ist zudem weiblich - "sie" repräsentiert also das weiblich-mütterliche Element in Gott. Eine notwendige Korrektur, wenn unsere Rede von Gott zu männlich-patriarchalisch daherkommt. "Geist" lässt sich aber auch mit "Kraft" übersetzen. Gott begabt uns mit sich selbst, mit seiner "Power", damit wir begeistert glauben und handeln können und immer neu inspiriert werden. Wir sind "Feuer und Flamme" für Jesus - Formulierungen, die immer noch an Pfingsten erinnern.

Als ich kürzlich mit einem Flüchtling das "Auge Gottes" oben am Kanzelhaus betrachtete, es ist dort als Symbol der Trinität im strahlenden Dreieck in einem Dreipass angebracht, da war er plötzlich sehr bewegt. Es war für diesen Menschen, der eine Odyssee hinter sich hat, und auch jetzt noch in Ängsten vor einer Abschiebung lebt, ungeheuer tröstlich, dass da einer sagt: "Ich will dich unterweisen und dir den Weg zeigen, den du gehen sollst; ich will dich mit meinen Augen leiten" (Psalm 32). Es muss ja nicht immer der "Big Brother" eines George Orwell sein, der unser Gottesbild prägt. Auch ein "leerer Himmel", von dem ich gar nichts mehr erwarten darf, ist nach meinem Empfinden erschreckend. Übrigens, der kommende Sonntag ist im Kirchenjahr der "Trinitatissonntag". Neugierig geworden?

OLAF NÖLLER IST EVANGELISCHER PFARRER DER HAUPTKIRCHE RHEYDT.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort