Im Gespräch mit Günter Krings "Gladbachs Kleinteiligkeit muss bleiben"

Mönchengladbach · Günter Krings, CDU-Bundestagsabgeordneter und Parlamentarischer Staatssekretär, über Mode, Frauen in der Politik und seine Heimat.

 Fürs Foto immer die Sakkotaschen leeren - dafür kassierte CDU-Chef Günter Krings Pluspunkte bei der Stilkritik eines Londoner Experten.

Fürs Foto immer die Sakkotaschen leeren - dafür kassierte CDU-Chef Günter Krings Pluspunkte bei der Stilkritik eines Londoner Experten.

Foto: Isabella Raupold

Herr Krings, Sie sind Parlamentarischer Staatssekretär bei Bundesinnenminister Horst Seehofer - und damit Teil eines rein männlichen Teams. Wie fühlen Sie sich damit?

Krings Das Team im Innenministerium besteht aus mehr als 1600 Leuten, darunter sind selbstverständlich auch Frauen. Aber es geht um die Führungsebene, und die ist rein männlich, das ist tatsächlich nicht glücklich. Ich kenne es auch anders: Als ich im Innenministerium anfing, waren 100 Prozent der beamteten Staatssekretäre Frauen.

Dafür gab es damals übrigens kein besonderes Lob. Ich gehe davon aus, dass sich im Laufe der Wahlperiode noch etwas ändert. Es werden in nächster Zeit weitere Stellen neu besetzt, da werde ich mich für eine stärkere Berücksichtigung von Frauen einsetzen. Bei den Referatsleitungen steht das Bundesinnenministerium übrigens besser da als der Durchschnitt der Ministerien, was die Besetzung mit Frauen angeht.

Das frauenfreie Foto hat einen Modeexperten aus Großbritannien zu einer Stilkritik inspiriert. Sie fiel verheerend aus. Mit einer Ausnahme: Sie erhielten sogar Pluspunkte. Welche modischen Tipps können Sie Ihren Kollegen geben?

Krings (lacht) Ich bin in Modefragen wirklich kein Experte, aber ich habe ein bisschen Fotoerfahrung. Deshalb habe ich aus den Innentaschen vor der Aufnahme Portemonnaie und Handy entfernt. Mit dem Resultat, dass das Sakko besser saß.

Sie hatten zuvor dieselbe Position unter Thomas de Maiziere. Wie ist es unter dem neuen Chef?

Krings Das Haus ist nun größer, und Horst Seehofer lässt mehr machen. Das bedeutet einen größeren Spielraum für die Parlamentarischen Staatssekretäre. Ich werde mich - zusammen mit einem beamteten Staatssekretär - weiter um die öffentliche Sicherheit kümmern. Außerdem gehört die Abteilung für Verfassungs- und Verwaltungsrecht zu meinem Aufgabenbereich.

Da geht es um die Vertretung vor dem Bundesverfassungsgericht, aber auch um die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen, die von anderen Ministerien erarbeitet werden. Neu hinzugekommen ist bei mir der Bereich IT. Dazu gehört nicht nur die IT-Sicherheit, sondern auch so etwas wie die Digitalisierung der Verwaltung.

Sind Sie auch mit dem aktuellen Facebook-Skandal befasst?

Krings Ich vertrete das Innenministerium regelmäßig im Digitalausschuss des Bundestages, der sich mit solchen Fragen beschäftigt. Überhaupt ist das Innenministerium in sehr vielen Ausschüssen präsent, neben dem Innenausschuss, im Sportausschuss und im neuen Ausschuss Bauen und Heimat. Das Innenministerium ist ein sehr gefragter Ansprechpartner.

Was wird sich nun politisch ändern?

Krings Ein neuer Minister, der auch noch Parteivorsitzender ist, setzt natürlich neue Akzente, zum Beispiel bei freiwilliger Rückkehr und Abschiebung oder bei Grenzkontrollen. In diesen Bereichen wurde auch vorher intensiv gearbeitet, aber Seehofer hat den Ehrgeiz, das mit noch größerer Konsequenz zu tun. Und wenn man sieht, dass es viele Ausreisepflichtige, aber wenig Abschiebungen gibt, dann muss sich da sicher etwas ändern.

Wie wird die Flüchtlingspolitik in Zukunft aussehen? Kann sich 2015 wiederholen?

Krings Prognosen sind immer schwierig, aber 2015 wird sich nicht wiederholen. Inzwischen sind Strukturen zur Registrierung geschaffen worden, es gibt Hot Spots in Griechenland und Italien, wo auch deutsche Beamte eingesetzt werden. Und bei aller Kritik an der türkischen Regierung: Das Abkommen mit der Türkei funktioniert. Auch bei Fragen der Sekundärmigration sind wir aktiv.

Es mehrten sich zum Beispiel Fälle, in denen Flüchtlinge aus Griechenland mit dem Flugzeug nach Deutschland weiterreisten. Wir haben diese Flugzeuge dann im Nicht-Schengen-Bereich der Flughäfen abgefertigt, so dass alle ihre Ausweise zeigen mussten. Das fanden die Griechen nicht so schön, das Problem ging danach aber zurück. Allen ist klar: Wenn noch einmal in einem Jahr eine Million Flüchtlinge kämen, wäre das das Ende von Schengen. Dann müssten wir selbst an der Grenze zu den Niederlanden wieder unseren Ausweis zeigen. Das will keiner.

Sprechen wir über Mönchengladbach. Ex-Außenminister Sigmar Gabriel (SPD)kritisierte jüngst die fehlende Nähe der Politiker zu den Wählern. Wie stellen Sie als Bundestagsabgeordneter Bürgernähe her?

Krings Ich habe ja meinen Hauptwohnsitz in Mönchengladbach, genauer gesagt in Herrath, und bin an freien Tagen und Wochenenden hier. Ich lebe gern hier, gehe einkaufen und treffe die Menschen. Die Bürger kommen natürlich auch in meine Sprechstunden. Außerdem bin ich Kreisvorsitzender und bekomme natürlich mit, was passiert. Ich kann nachvollziehen, dass ein Minister das so empfindet, aber für mich sehe ich da kein Problem.

Welche Probleme sehen Sie in der Stadt?

Krings Mönchengladbach, wie auch Krefeld, hat ähnliche Probleme wie das Ruhrgebiet. Zehn Prozent Arbeitslosigkeit sind viel zu hoch. Die Arbeitsagentur macht einen guten Job, auch die Ansiedlungspolitik klappt. Aber es gibt auch Rückschläge wie bei SMS Meer oder GE, wo ich hoffe, dass der Standort doch erhalten bleibt. Insgesamt sind wir auf einem Weg der Besserung, aber wir können noch nicht zufrieden sein.

In Berlin kam es doch wieder zu einer Groko. In Mönchengladbach regiert diese Konstellation seit 2014. Wie schätzen Sie deren Arbeit ein?

Krings Da wird eine gute Arbeit geleistet, ganz pragmatisch an den Bedürfnissen der Stadt orientiert. In den Kommunen geht es seltener um Ideologie. Hans-Peter Schlegelmilch ist ein Glücksfall für die CDU Mönchengladbach. Und OB Reiners koordiniert und moderiert sehr gut.

Sie sind ja auch Chef der Mönchengladbacher CDU. Welche Rolle spielt Ihre Partei im Bündnis?

Krings Wir sind der stärkste Partner, aber wir müssen nicht jeden Tag die eigene Stärke präsentieren. Nur dann, wenn es wirklich darauf ankommt. Die Zusammenarbeit mit dem Partner SPD ist wichtig und bisher sehr erfolgreich.

Rücken bei der CDU in Mönchengladbach genügend junge Politiker nach, die ab 2020 für neue Akzente sorgen können?

Krings Wir haben schon jetzt in der Ratsfraktion deutlich mehr junge Leute als vor zehn Jahren. Und auch im Kreisvorstand gehöre ich mit Ende vierzig schon fast zur älteren Hälfte. Ja, wir verlieren Leute, die zum Studium oder nach dem Studium weggehen, aber andererseits gibt es in der Region tolle Jobs. Es kommt auch mancher zurück.

Wie kann man die Stadt noch interessanter für junge Leute machen?

Krings Die Hochschule spielt da natürlich eine wichtige Rolle. Das ist ein Pfund, mit dem man wuchern kann. Auch die angedachte Cyberakademie wäre gut, ebenso wie die Ansiedlung von Start-ups. Das Ziel Gigabyte-Stadt ist in diesem Zusammenhang von großer Bedeutung. Andererseits sollte auch immer die Kleinteiligkeit und Übersichtlichkeit Gladbachs erhalten bleiben. Das lässt sich schön in dem Satz zusammenfassen: "In Mönchengladbach geht niemand verloren."

Wie sieht es bei der CDU Mönchengladbach mit Frauen aus? Sie ist ja eher eine Männerdomäne.

Krings Wir stehen gar nicht so schlecht da. Immerhin sind wir die einzige Partei, die schon eine Oberbürgermeisterin gestellt hat und die eine Kanzlerin stellt. Wir machen das nur sehr unaufgeregt. Also: Wir sind eigentlich besser als uns unterstellt wird, aber es ist trotzdem wichtig, in den Wahlkreisen mehr Frauen aufzustellen. Die Frauen müssen sich das auch zutrauen, erfahrungsgemäß brauchen sie manchmal mehr Ermunterung, während die Männer nicht daran zweifeln, es zu können. Ich finde die weibliche Haltung zwar sehr sympathisch, aber sie darf nicht verhindern, dass sich mehr Frauen politisch engagieren.

In Mönchengladbach wird viel geplant. Ihre CDU-Kollegin Ina Scharrenbach hat bei ihrem Besuch hier gesagt, bunte Pläne allein reichten nicht. Was muss passieren?

Krings Klar: Pläne müssen umgesetzt werden. Die Dinge müssen auch auf die Baustelle. Der Bau-Bürgermeister von Rotterdam hat mir einmal erzählt, er habe das Wort "Planen" aus der Verwaltung verbannt. Aber es ist ja nicht so, dass nur geplant wird, es passiert auch viel. Das Minto steht, die Roermonder Höfe werden gebaut, die City Ost geht nun auch voran.

Kann es zu viel werden mit den Veränderungen? So, dass die Bürger ihre Stadt nicht mehr wiedererkennen?

Krings Das glaube ich nicht. Es ist gut, dass der Dornröschenschlaf beendet ist und in allen Bezirken Neues entsteht. Darin spiegelt sich das wiederentdeckte Selbstbewusstsein unserer Stadt.

Sie haben sich mehrfach dafür eingesetzt, dass die Bima-Flächen vermarktet werden. Aber vom Festivalgelände am JHQ etwa ist nicht mehr die Rede. Haben Sie aufgegeben, weil die Bima zu unflexibel ist?

Krings Die Festivalidee ist noch nicht tot, aber es wäre auch nicht die einzige Lösung. Es ist richtig, dass ein Teil des Geländes der Natur zurückgegeben werden sollte. Ebenso richtig ist, dass die Gebäude nicht auf den Wohnungsmarkt gekommen sind. Die Bima baut jetzt zurück, damit wird es einfacher, auch die Festivalidee doch noch umzusetzen, weil dann keine Gefahr mehr von Bauruinen ausgeht. Aber es wäre auch wichtig, wenn dort noch Arbeitsplätze entstehen würden. Mit der Aufgabe des JHQ sind ja auch etliche verlorengegangen.

Ein Dauerärgernis: der Zustand des Gladbacher Hauptbahnhofs.

Krings Ich habe mir inzwischen abgewöhnt, an die Zusagen der Bahn zu glauben. Aber wir drängen weiter. Es ist wirklich kein schöner Start in die Stadt, wenn man mit dem Zug ankommt. Bahnreisende verlieben sich nicht auf Anhieb in Mönchengladbach. Aber so schlimm der Zustand ist - dass die Gleise alle mit Aufzügen versehen sind, ist ein echter Pluspunkt. Das erlebe ich an vielen Umsteigebahnhöfen unseres Landes anders. Umso ärgerlicher, dass sich sonst nichts tut.

Letztes Reizthema: Garzweiler II. Brauchen wir den Braunkohletagebau noch?

Krings Ich war immer gegen Garzweiler II. Meiner Meinung nach hätte man den Atom- und den Braunkohleausstieg gemeinsam und langsamer angehen müssen. Aber es gab eine andere Entscheidung. Jetzt ist Garzweiler II nicht mehr zu stoppen. Das wäre geradezu zynisch, denn die Leute sitzen ja schon auf gepackten Koffern, haben neu geplant und gebaut. Sie wären doppelt verletzt und das mit Recht. Es kann jetzt keine Kehrtwende im laufenden Betrieb geben.

Freuen Sie sich schon auf die Seenlandschaft?

Krings Das ganze Projekt ist gigantomanisch und schwer beherrschbar. Es wird Jahrzehnte dauern, bis der See vollgelaufen ist. Wahrscheinlich kann sich erst die Generation unserer Enkel daran erfreuen.

DENISA RICHTERS UND ANGELA RIETDORF FÜHRTEN DAS INTERVIEW.

(RP)
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