Mönchengladbach Gladbacher zählen die Wintervögel

Mönchengladbach · Heute schlägt die "Stunde der Wintervögel". Menschen sollen Vögel in Gärten und Parks zählen. Schon jetzt steht fest: Viele Arten sind rar geworden.

Graue Schottersteine ohne ein Fitzelchen Grün. Vermeintlich pflegeleichte Thuja- statt Buchenhecken. Und Gärten, in denen keine einzige Blume wächst. Wenn Kurt Sasserath bei Spaziergängen diese Anlagen sieht, kommt er ins Grübeln. "Wir nehmen Insekten und Vögeln so die Nahrungsgrundlagen. Dann brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn sie immer seltener werden", sagt der Vorsitzende der Mönchengladbacher Gruppe im Naturschutzbund Deutschland (Nabu).

Wie es um den Bestand an Vögeln aussieht, das will der Nabu genauer wissen. Deshalb starten die Naturschützer heute die "Stunde der Wintervögel": Menschen zählen dann bundesweit die Vögel in den heimischen Gärten und Parks. Jeder kann an dieser Vogelzählung teilnehmen, muss sich dafür lediglich eine Stunde Zeit nehmen. Die Beobachter notieren in den 60 Minuten, wie viele Vögel einer Art sie entdecken. Wer will, kann die Tiere mit Meisenknödeln oder gutem Mischfutter im Garten oder auf dem Balkon anlocken.

Die Vogelzähler tragen die Ergebnisse ihrer Strichliste im Internet auf der Seite www.stundederwintervoegel.de bis Montag, 15. Januar, in ein spezielles Formular ein. Mitmachen können Privatpersonen, Schulklassen und Kindergartengruppen. Zudem ist für telefonische Meldungen am 6. und 7. Januar jeweils von 10 bis 18 Uhr die kostenlose Rufnummer 0800 1157115 geschaltet. Bei der Zählaktion im vergangenen Jahr machten in Mönchengladbach 204 Vogelfreunde mit und zählten in 153 Gärten 3942 Vögel. Am häufigsten wurde im Vorjahr der Haussperling gesichtet.

Doch es ist nicht ausgeschlossen, dass die Ergebnisse dieses Mal deutlich schlechter ausfallen. Wer in den vergangenen Wochen und Monaten aufmerksam das Geschehen in Gärten, Parks und Wäldern beobachtet hat, stellte schnell fest: Die Vögel machen sich rar bei uns. Selbst Spatzen, die früher in jedem Garten zahlreich zu finden waren, sind heute eine Seltenheit. "Auch Stare, die es einst zu Tausenden gab, tauchen kaum noch auf. Selbst die Amseln sind seltener. Ganz zu schweigen von anderen Arten", sagt Sasserath. Er nennt den Grauschnäpper, zu trifft dies aber auch auf Girlitz und Gartenrotschwanz. Sasserath: "Und wo ist der Dompfaff? Es ist schon einige Zeit her, dass ich zum letzten Mal ein freilebendes Exemplar gesehen haben."

Das hat Gründe. Dass mittlerweile sogar Spatzen und Meisen rar sind, hat viel damit zu tun, dass es in der Brutzeit im vergangenen Jahr an mehreren Tagen so kalt war, dass die geschlüpften Tiere verendeten. Der Usutu-Virus hat den Tod vieler Amseln zur Folge gehabt. Für Naturschützer Sasserath liegen die eigentlichen Ursachen aber woanders: "Die chemieintensive Landwirtschaft sorgt dafür, dass die Tiere nicht mehr genügend Nahrung finden. Jedes Kraut, das nicht auf dem Acker stehen soll, wird kaputtgespritzt. Außerdem werden auch noch immer mehr Flächen versiegelt: Natur muss für Steine und Asphalt weichen. Das ist eine Entwicklung, die nicht gut ist und die wir dringend umkehren müssen."

Sasserath appelliert deshalb an Gartenbesitzer, wieder für mehr Abwechslung und Pflanzen zu sorgen, die Vögel lieben. "Sie brauchen Buchen-, Weißdorn- oder Feldahornhecken. Auch Holunderbeersträucher und Blumenwiesen sind für sie wichtig. Ein Garten kann ruhig etwas Wildwuchs vertragen. Man kann Teile etwas verwildern lassen, zum Beispiel an den Rändern," schlägt er vor. Die Stadt fordert er auf, Grünstreifen naturnah anzulegen. "Es gibt spezifische Saatgutmischungen für Wildblumen. Andere Städte wie Düsseldorf und Neuss verwenden sie längst. Und wichtig ist auch, dass man den Pflanzen Zeit geben muss und nicht alle drei Wochen eine Mahd macht." In diesem Zusammenhang lobt er das "Stadtökologische Konzept" der BUND-Mitglieder Harald Görner und Heinz Rütten (unsere Zeitung berichtete). Sasserath: "Die von ihnen gemachten Vorschläge sind ausgezeichnet und auch gut umsetzbar."

Der Nabu selbst startet demnächst eine Kooperation mit den Mönchengladbacher Kleingärtnern. "Sie sind an einem ökologischen Umbau ihrer Gärten interessiert und wollen Blumenwiesen und Kleingewässer anlegen. Das kann eine sehr fruchtbare Zusammenarbeit für beide Seiten werden", sagt der Gladbacher Nabu-Chef.

Dieter Weber und Christian Lingen

(RP)
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