Mönchengladbach Geschichte, die verschwindet

Mönchengladbach · Das Naturdenkmal ist nur noch zu erahnen, in einigen Jahren wird es dem Tagebau komplett gewichen sein: Im Bereich der "Keyenberger Motte" in Erkelenz entsprang einst die Niers.

 Die Keyenberger Motte war ursprünglich ein von einem Wassergraben umgebener ovaler Hügel von 20 Metern Durchmesser und zwei Metern Höhe. An ihn schloss sich nach Westen eine 50 mal 70 Meter große, ebenfalls von Gräben umgrenzte Vorburg an. Heutzutage ist die "Burg" nur noch zu erahnen.

Die Keyenberger Motte war ursprünglich ein von einem Wassergraben umgebener ovaler Hügel von 20 Metern Durchmesser und zwei Metern Höhe. An ihn schloss sich nach Westen eine 50 mal 70 Meter große, ebenfalls von Gräben umgrenzte Vorburg an. Heutzutage ist die "Burg" nur noch zu erahnen.

Foto: Jürgen Laaser

Hier, im Waldgebiet der ehemaligen Keyenberger Motte im gleichnamigen Erkelenzer Stadtteil mit seinen ehemals 80 Quellen, lag einmal der Entstehungsort der Niers. Größter Quelltümpel des knapp 120 Kilometer langen Flusses, der als erste Stadt Mönchengladbach durchfließt, war dabei der Glockensprung unweit des Sportplatzes. "Die Wasserqualität der Quelle war früher weithin bekannt - dem Wasser der Niers wurde heilende Wirkung zugesprochen, und man konnte das Quellwasser bedenkenlos trinken", erzählt Hans-Josef Pisters, profunder Kenner der Keyenberger Heimatgeschichte im Allgemeinen und der Motte im Besonderen. "Es wurde als Heilwasser sogar in Apotheken verkauft."

Die Keyenberger Motte selber ist unauffällig, nur schwer zu finden an der Plektrudisstraße in Keyenberg, und ihr Originalzustand lässt sich ohne Illustration nur schwerlich vorstellen. Ein Hinweisschild auf der Grünfläche vor dem Waldstück gibt die Information, dass diese Stelle der Platz der Motte war. "Die Keyenberger Motte war eine befestigte fränkische Bauernsiedlung aus dem frühen Mittelalter. Die Motteninsel (romanisch: Motta = Hügel) war nur über eine Zugbrücke zu erreichen und von Palisaden umzäunt. Sie diente als Wohnsitz des Burgherrn und als letzte Zuflucht vor Feinden. Auf der ebenfalls von Wassergräben umgebenen Vorburg im westlichen Bereich standen die Bauernhütten und Wirtschaftsgebäude. Die Gliederung der Motte entspricht bereits ganz dem Schema ihrer baugeschichtlichen Nachfolgerin, der in Stein gebauten Wasserburg (Haus Keyenberg)", so ist darauf zu lesen.

Doch das war einmal. Der jetzige Zustand des Geländes erfordert viel Fantasie, um sich vorzustellen, welches Naturdenkmal sich dort befindet. "Die Motten sind im zehnten Jahrhundert entstanden und waren zur Verteidigung künstlich angelegte Erdhügel, die von Wassergräben umgeben wurden", erläutert Pisters. Dabei ist ihm einerlei, ob man Motte aus dem Romanischen ableitet, wie auf dem Schild zu lesen, oder aus dem französischen "motte", was so viel wie Klumpen oder Erdsode bedeutet. Dass eine Motte ursprünglich ein vorwiegend in Holzbauweise errichteter Burgtyp war, dessen Hauptmerkmal ein künstlich angelegter Erdhügel mit meist turmförmigen Gebäude war, lässt sich so oder so nur erahnen. Die Keyenberger Motte sei vor einigen Jahrzehnten einmal aus ihrem Dornröschenschlaf geweckt worden, erinnert sich der 76-jährige Pisters. Damals wurde der Graben rund um den Mottenhügel freigelegt, die Ufer mit Palisaden befestigt und mit Unterstützung des Technischen Hilfswerks eine hölzerne Brücke gebaut. Der Untergrund wurde mit einer Folie ausgelegt, der Graben von Rheinbraun mit Wasser gespeist: "Da gab es auch noch alljährliche Mottefeste, bei dem sich fast alle Keyenberger trafen."

Dann jedoch wurde Rheinbraun und das spätere RWE Opfer seiner eigenen Tätigkeit: Mit dem heranrückenden Tagebau Garzweiler II sank der Grundwasserspiegel. Der Brunnen, der ebenso wie die Pumpstation auf der Wiese vor der Motte zu sehen ist, fiel trocken. "Eine Zeit lang wurde der Graben noch mit Leitungswasser gefüllt. Als dies zu kostspielig wurde, überließ man das wiederhergestellte Gelände sich selbst", berichtet Pisters. Es zerfiel, der Graben ist bereits zum großen Teil trockengefallen, an manchen Stellen gibt es noch matschigen Sumpf. Die Palisaden zerbröseln, auf der Brücke hat sich glitschiges Moos breitgemacht. Der Unterschlupf für Enten mitten im Graben hängt in der Luft. "Es kümmert sich niemand mehr darum", bedauert Pisters - weder RWE, das verantwortlich ist für das verschwindende Wasser, noch die Stadt Erkelenz, noch der Besitzer des Geländes. Die Quellen im Bereich der Motte speisten einst nicht nur deren Graben, sondern auch das Labyrinth der Vorburg, einem Gewirr von Gräben, die längst ausgetrocknet und überwuchert sind. Sie liegen in "Hauswald" zwischen Keyenberg und Kuckum. Der von Trampelpfaden durchzogene Wald war für die Keyenberger das wichtigste landschaftliche Element im Ort "und der bevorzugter Spielplatz", erinnert sich Pisters zurück. Doch das war einmal und ist genauso nur noch Erinnerung wie die ehemalige Motte.

In wenigen Jahren werden sie und Keyenberg Geschichte sein. Fernab der Niers ist am Umsiedlungsort im Erkelenzer Norden, der ab dem Jahresende, vom näherrückende Tagebau gefordert, bebaut wird, kein Platz für das Naturdenkmal. Dennoch soll die Motte in Erinnerung bleiben: Es soll am Umsiedlungsort den Straßennamen "Zur Motte" geben.

(RP)
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