Mönchengladbach Gedenken an Gegenwart und Zukunft

Mönchengladbach · Juden und Christen erinnerten an die Reichspogromnacht vor 77 Jahren.

Am 9. November 1938 wurden in ganz Deutschland mehr als 1500 Synagogen angezündet, 7000 jüdische Geschäfte zerstört, hunderte von jüdischen Bürgern ermordet und im Anschluss 30.000 Juden in Konzentrationslager verschleppt. Die Pogrome markieren den Übergang von der Diskriminierung der Juden in Deutschland zur Verfolgung und Vernichtung. So drückte es Rabbiner Yitzhak Hoenig in seiner Ansprache bei der Gedenkfeier zur Pogromnacht in der Synagoge an der Albertusstraße aus. Im jüdischen Gotteshaus fand in diesem Jahr die eigentliche Gedenkveranstaltung statt. Am Gedenkstein für die zerstörte Synagoge neben der Stadtbibliothek hatten zuvor Oberbürgermeister Reiners und Dr. Leah Floh, die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, einen Kranz niedergelegt.

Beim anschließenden Gedenken waren die Bänke in der Synagoge voll, etliche der Besucher standen. Rabbiner Hoenig erinnerte an die furchtbaren Vorgänge des Jahres 1938, richtete aber auch den Blick nach vorn und benannte eindringlich den Wunsch der jüdischen Gemeinde nach einer neuen Synagoge und einem Gemeindezentrum nahe der historischen Stelle. Die jüdische Gemeinde habe damit - so drückte es der Rabbiner in seiner Rede aus - auch gesellschaftlich in den Kern der Stadt zurückgefunden. Mit einer Grundsteinlegung sei ein neuer Anfang auf deutschem Boden möglich geworden.

Die Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Leah Floh stellte in ihrer Rede fest: "Die Täter agierten aus der Mitte der Gesellschaft heraus." Sie erinnerte an die Rückkehr des Antisemitismus während der Demonstrationen im Sommer 2014 und betonte: "Die Lebenden benötigen die Solidarität." Antisemitismus und Antizionismus müssten bekämpft werden. Man dürfe nicht die Opfer mit den Tätern verwechseln.

Auch Oberbürgermeister Hans Wilhelm Reiners bezog die Vorgänge der Pogromnacht auf die Gegenwart und warnte: "Was in Zerstörung, Terror und Mord endete, begann viel subtiler. Mit Parolen, Klischees, Vorurteilen. Jeder und jede von uns hat es Tag für Tag neu in der Hand, sich im eigenen Lebensumfeld deutlich zu positionieren, Schwächere zu schützen und gegen Unrecht aufzustehen." Er betonte die Unverhandelbarkeit des Existenzrechts Israels und forderte dazu auf, den an Leib und Leben bedrohten Flüchtlingen ein neues Zuhause zu geben.

Moshe Eßer schließlich, Mitglied des Gemeinderats der jüdischen Gemeinde, gedachte auch der sechs Millionen Juden in Israel, gegen die sich mörderischer Terror richte, weil sie Juden seien. Nach der Gedenkfeier fand in der Synagoge das Abendgebet statt, während in der Jugendkirche in der Albertusstraße ein ökumenischer Gottesdienst gehalten wurde. Pfarrer Till Hüttenberger betonte in seiner Predigt, dass es keinen Rechtsanspruch auf oder gar eine Pflicht zur Vergebung gebe. Man dürfe aber darauf hoffen.

(RP)
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