Mönchengladbach Gardeur passt sich Kaufgewohnheiten an

Mönchengladbach · Der Hosenspezialist richtet die Produktion enger am aktuellen Bedarf aus. Dafür setzt er auf die so genannte Vollvertikalisierung. Wie das funktioniert, erläuterte Gardeur-Chef Gerhard Kränzle jetzt bei einem Rundgang.

 Gerhard Kränzle (re.) ist CEO und Mehrheitseigentümer von Atelier Gardeur. Er hatte jetzt rund 110 Kunden und Lieferanten zu einer Firmenbesichtigung und Podiumsdiskussion an die Alsstraße eingeladen.

Gerhard Kränzle (re.) ist CEO und Mehrheitseigentümer von Atelier Gardeur. Er hatte jetzt rund 110 Kunden und Lieferanten zu einer Firmenbesichtigung und Podiumsdiskussion an die Alsstraße eingeladen.

Foto: Detlef Ilgner

Vor kurzem lud Gerhard Kränzle, CEO und Mehrheitseigentümer der Gardeur GmbH, noch zum Foto-shooting mit den Schauspielern Jan Josef Liefers und Anna Loos in Berlin - und startete sogar ein eigenes Sub-Label namens "Anna & Jan". Jetzt hatte er rund 110 Kunden und Lieferanten zu einer Firmenbesichtigung und Podiumsdiskussion nach Mönchengladbach eingeladen. Einziges Thema: die so genannte Vollvertikalisierung.

Das ist kein neuer Modetrend, sondern der Versuch, sich wandelnden Kaufgewohnheiten anzupassen, bedarfsgerechter zu fertigen und die Saison zu entzerren. Dabei unterscheidet man zwischen der Vorwärts- und der Rückwärtsvertikalisierung. "Durchschnittlich kommt ein und derselbe Kunde alle acht Tage ins Geschäft und erwartet aktuelle Ware", berichteten Manfred Brockherde, Geschäftsführer von Peacock-Moden, und Hans-Peter Vankerkom, Geschäftsführer beim Mindener Modehaus Hagemeyer, übereinstimmend bei der Podiumsdiskussion. Diesem Anspruch können Hersteller und Händler kaum gerecht werden. Denn die Saisonzeiten und Kollektionsrhythmen sind zu starr, gängige Größen oftmals vergriffen, und der Markt wird zu früh mit zu viel Ware überschwemmt, was zu Preisnachlässen und Retouren führt.

Und hier setzt die Vorwärtsvertikalisierung ein: "Wir vereinbaren mit den Händlern im Vorfeld der Saison ein Budget und bestimmen die genauen Produkte und ihre Anzahl erst im Saisonverlauf, wenn der Endverbraucher uns gezeigt hat, was er wirklich möchte", erläutert Gerhard Kränzle das Konzept, das er vor vier Jahren eingeführt hat. Dafür hat er in Mönchengladbach und im Produktionsbetrieb in Tunesien einiges umgekrempelt.

Noch läuft die Testphase, aber mit großem Erfolg. "Händler, die sich unserer Vorwärtsvertikalisierung angeschlossen haben, erwirtschaften ein Plus von fast zwölf Prozent", sagt Kränzle. Monatlich definiert er mit den Händlern neu, welche Hosen oder Röcke sieben bis acht Wochen später im Laden angeboten werden sollen. Dieses Tempo kann er halten, weil Gardeur ausschließlich in Tunesien produziert, und in Mönchengladbach von der Designabteilung über die Näherei bis hin zur Wäscherei alles unter einem Dach vereint ist.

"Bei uns entfallen lange Transportwege und Wartezeiten", sagt Gerhard Kränzle. Allerdings müssen auch die vorgelagerten Stofflieferanten und Weber mitspielen. Mit ihnen wiederum verzahnt sich Gardeur bei der Rückwärtsvertikalisierung. Das heißt, dass auch die Rohware monatlich bedarfsgerecht bestellt wird. Auch hier rechnet er mit einer Umsatz- und Ertragssteigerung von rund zehn Prozent. "Mit unseren Kunden und Lieferanten definieren wir gerade die Begriffe Partnerschaft, Verantwortung und Vertrauen neu", sagt der Chef von Gardeur. Eines fällt auf beim Firmenrundgang: Gerhard Kränzle ist es gelungen, seine Mitarbeiter für die Änderungen zu begeistern, die die Vollvertikalisierung mit sich bringt. Das ist wichtig, denn meistens scheitern Konzepte am firmeninternen Desinteresse.

(drlp)
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