Armin Marx Und Rolf Heithausen "Fünf Euro Eintritt ist eine psychologische Grenze"

Mönchengladbach · Die Chefs des Bäderbetriebs der NEW sprechen über Sicherheit im Freibad, Chlor im Wasser und die wachsende Zahl der Nichtschwimmer. Und sie erklären, warum jetzt die Badegäste zum Stand der Bäder befragt werden.

 NEW-Bäderchef Rolf Heithausen (links) und NEW-Vorstand Armin Marx.

NEW-Bäderchef Rolf Heithausen (links) und NEW-Vorstand Armin Marx.

Foto: Detlef Ilgner

Herr Heithausen, Hand aufs Herz, wann waren Sie selbst das letzte Mal schwimmen?

Rolf Heithausen Als ich Abteilungsleiter Bäder wurde, hat man mir gesagt: Da hat man den Bock zum Gärtner gemacht. Also Wasser ist nicht unbedingt mein Element. Das letzte Mal im Wasser war ich vor rund zwei Jahren an der Nordseeküste in Holland.

Und Sie, Herr Marx?

Armin Marx Bei mir ist das noch nicht ganz so lange her. Das war vor 14 Tagen im Vitusbad.

Was fehlt unserer Bäderlandschaft? Ein Wellness-Tempel, ein reines Erlebnis- und Spaßbad?

Heithausen Wir sind solide aufgestellt. Wir haben nichts Überkandideltes, aber für jeden ist etwas dabei. Im Schlossbad Niederrhein haben wir mit dem Wildwasserkanal auch eine besondere Attraktion.

Reicht das denn? Muss heute nicht ein bisschen mehr Action her?

Heithausen Wir hätten Spaß an einer Looping-Rutsche. Aber die Frage ist, ob sich die Anschaffung lohnt und die Attraktion langfristig auch mehr Besucher in die Bäder lockt.

Rosige Zeiten für Bäder sind es ja aber nicht.

Marx Das stimmt, der allgemeine Trend der Besucherzahlen ist leicht rückläufig.

Woran liegt's? Gehen die Menschen nicht mehr gerne schwimmen?

Marx Das Freizeitangebot ist mittlerweile sehr groß, es fahren aber auch mehr Leute in den Urlaub als früher. Auch die offenen Ganztagsschulen spielen eine Rolle.

Wie lief denn diese Saison im Volksbad bislang?

Heithausen Wenn der Sommer so weitergeht, wird das ein gutes Jahr. Wir liegen aktuell bei knapp 48.000 Besuchern im Volksbad, und der Juli ist noch nicht vorbei. Das sind jetzt schon mehr als im gesamten Juli des Vorjahres: Da kamen insgesamt nur 38.000 Besucher ins Volksbad. Im gleichen Zeitraum waren es 2014 42.000 Besucher. 2013 war mit 60.000 ein starkes Jahr. Im Jahr 2015 waren es am Ende der gesamten Saison 48.000 Badegäste.

Wie viele Gäste müssten kommen, damit sich der Badbetrieb theoretisch lohnt?

Marx Wir können das andersherum beziffern: Wir haben einen maximalen Eintrittspreis für Erwachsene von fünf Euro. Um kostendeckend zu arbeiten, müssten wir je nach Bad zwischen 13 und 15 Euro verlangen. Das ist auch, was Sie zahlen, wenn Sie ein privates Spaßbad besuchen.

Müssen die Eintrittspreise 2018 ansteigen?

Marx Die Preise in Mönchengladbach wurden 2012 zum letzten Mal erhöht. Von unserer Seite gibt es momentan keine Bestrebungen teurer zu werden. Fünf Euro Maximalpreis für Erwachsene ist auch eine psychologische Grenze.

Kommunale Bäder gehören eben zur Daseinsvorsorge.

Heithausen Ein Bad ist ganz klar ein Standortvorteil, das stimmt. Wenn man das so begründet, kann man das auch tragen. Aber wir bieten hier Premiumprodukte an, die unter Wert verkauft werden.

Marx Das ist eben das Schicksal kommunaler Bäder. Auch die Schulen und Vereine zahlen ja einen deutlich geringeren Obolus.

Die DLRG beklagt, dass immer weniger Schulkinder schwimmen können. Teilen Sie diese Einschätzung?

Marx Auch wir haben vor drei Jahren zusammen mit der Stadtverwaltung eine Befragung an den Schulen durchgeführt und festgestellt, dass in Gladbach 20 bis 25 Prozent der Schüler nicht schwimmen können. Man muss aber auch sagen, dass es ein hoher Anspruch an die Schulen ist, 100 Prozent Schwimmer zu erreichen. Wir erleben immer wieder: Wenn vom Elternhaus nichts kommt, ist das schwer.

In anderen Städten fehlt es an Bädern für den Schwimmunterricht.

Heithausen Wir sind hier noch in der glücklichen Lage, genügend Wasserflächen bereit zu halten, um die Schulen und Vereine und vor allem auch die Öffentlichkeit bedienen zu können. Wir bieten auch selbst Schwimmkurse an.

Auch für Erwachsene?

Marx Ja, für alle Alters- und Bevölkerungsschichten, etwa auch für muslimische Frauen.

Im Burkini?

Heithausen Nein, bei diesen Kursen ist das Bad von außen nicht einsehbar, so dass die Frauen zusammen mit ihren Kindern ins Wasser können.

Es gibt immer wieder sexuelle Übergriffe in Schwimmbädern. Auch in Gladbach gab es solche Vorfälle. Bereiten Sie das Personal darauf vor?

Heithausen Ja, unsere Mitarbeiter bekommen regelmäßig Schulungen in Zusammenarbeit mit der Polizei. Da wird speziell auf solche Sachverhalte hingewiesen: sexuelle Übergriffe, Taschendiebstähle. Gerade wenn es heiß wird, stellen wir ein gewisses Steigerungspotenzial fest. Wir trainieren deshalb Deeskalation.

Das heißt?

Heithausen Die Leute sind einfach gereizter. Da kommt es auch schon mal zu kleinen Rangeleien. Wenn da ein Ball das zweite Mal auf die Decke fliegt, gibt es schon Ärger. Da muss man einschreiten.

Wie sorgen Sie für die Sicherheit?

Marx Was am Ende des Tages an oberster Stelle steht, ist, dass wir keine Badeunfälle haben. Aber wenn an einem heißen Tag hier 3000 bis 4000 Leute zusammenkommen, kann es natürlich zu Vorfällen kommen. Der Rekord liegt bei mehr als 10.000 Besuchern an einem Tag. Wir haben deshalb an solchen Tagen in der Regel auch eine Security-Firma hier, die uns zusätzlich unterstützt.

Heithausen Wir haben auch Scouts, Personen, die extra geschult werden. Wenn es zu Übergriffen oder Belästigungen kommt, sind vor allem Kinder erst einmal geschockt und wissen nicht, an wen sie sich wenden können. Die Scouts sollen zusätzliche Ansprechpartner sein. Wir sind da nicht tatenlos.

Die Bäder-Landschaft in Gladbach ist in den vergangenen zehn Jahren durchweg modernisiert worden. Werden Sie von anderen kommunalen Bad-Betreibern beneidet?

Marx Wir haben in Mönchengladbach etwa 50 Millionen Euro investiert in den vergangenen zehn Jahren, und wir sind froh, dass wir das über die Bühne gekriegt haben - trotz Haushaltskonsolidierung. Jeweils acht Millionen Euro sind ins Volksbad, ins Schlossbad Niederrhein und ins Stadtbad Rheydt geflossen, 20 Millionen ins Vitusbad. Das Hallenbad Rheindahlen wurde mit vier Millionen Euro saniert, und dann haben wir noch ins Hallenbad Giesenkirchen eine Million Euro gesteckt - plus kleinere Arbeiten.

Der Bäderbereich der NEW wurde zum 1. Juli mit dem der Viersener Niederrheinwerke zusammengelegt. Was bedeutet das für die Mitarbeiter?

Marx Die Rechte des Aufsichtsrats der NEW mobil und aktiv Viersen sind davon unberührt, das ist ganz wichtig für die Stadt Viersen. Die Kollegen der NEW Viersen haben wir in die NEW Mönchengladbach integriert. Wir haben seit Jahren einen gemeinsamen Auftritt und den Anspruch, verschiedene Aktivitäten und Schwerpunkte in den Bädern anzubieten. Ein Beispiel: Das Stadtbad Viersen ist ein Jugendstilbad, das lockt eher ältere Badegäste an. Schöne Architektur, Charme, aber eben keine Rutsche. Mit dem Vitusbad haben wir einen Schwerpunkt für Sportler gesetzt. Jedes Bad soll ein eigenes Profil haben.

Und wie wollen Sie die Jugend zurück in die Bäder holen?

Marx Wir haben Kundenbefragungen in Zusammenarbeit mit der Hochschule Niederrhein veranlasst - sowohl in Viersen als auch in Mönchengladbach. In Viersen ist das zum letzten Mal vor 20 Jahren, in Gladbach vor zehn Jahren gemacht worden, da hatten wir noch eine ganz andere Bäderlandschaft. Inzwischen ist das Bäderkonzept umgesetzt worden, und wir wollen wissen, wie unser Angebot empfunden wird und erhoffen uns Erkenntnisse, wie wir unsere Bäder noch besser machen können.

Im Ruhrgebiet wird über Bademeister-Mangel geklagt. Wie sieht es in Mönchengladbach aus?

Heithausen Bis jetzt hat es jedes Jahr geklappt, dass wir unsere Stellen besetzen konnten. Aber es wird immer schwieriger, das merken wir auch. Anfang Mai haben wir das Schlossbad aufgemacht - erst Ende April hatten wir die Leute zusammen.

Wie viele Schwimmmeister und Aushilfskräfte brauchen Sie in der Saison?

Heithausen Wir brauchen ab März Freibadpersonal, um das Bad für die Saison vorzubereiten. Wenn es richtig losgeht, brauchen wir 27 Mitarbeiter zusätzlich zu unserem Stammpersonal, etwa 150: an der Kasse, Badewärter, Rettungspersonal.

Will das niemand mehr machen?

Marx Durch die Bachelor- und Masterstudiengänge haben Studenten in den Semesterferien offensichtlich weniger freie Zeit zur Verfügung, daher greifen wir in den letzten Jahren auch verstärkt auf Schulabgänger zurück. Insgesamt ist es schwieriger geworden geeignetes Aushilfspersonal für die Freibadsaison zu finden.

Was muss ein Bademeister können?

Heithausen Das ist ein normaler Ausbildungsberuf zum Fachangestellten für Bäderbetriebe. Diese wurden durch Hilfsschwimmmeister ergänzt. Wir werben auch schon mal: Wer sportlich ist, kann bei uns auch einen Rettungsschein machen.

Stimmt es, dass Chlor erst dann riecht, wenn es mit Harnstoff in Berührung kommt?

Marx Umso mehr es nach Chlor riecht, desto schlechter ist die Wasserqualität, das ist richtig.

Heithausen Stimmt, der klassische Chlorgeruch, den man kennt, entsteht erst, wenn das Wasser mit Harnstoff in Berührung kommt, Hautschuppen oder Schweiß. Dann bilden sich Chlornebenprodukte, sie sogenannten Chloramine.

Wie viel Chlor kommt im Laufe der Saison bei Ihnen ins Wasser?

Heithausen Das kann ich gar nicht genau beantworten. Das kommt immer drauf an, wie viele Menschen im Wasser sind. Es gibt aber eine Obergrenze und die ist deutlich geringer als in unseren Nachbarländern.

Was ist das Kurioseste, was Sie jemals im Becken gefunden haben?

Heithausen (lacht) Gebisse, Hörgeräte, Badeanzüge.

Kann man sich denn auf das liebste Freibadessen der Deutschen verlassen?

Heithausen Pommes und Currywurst? Ja, das geht immer.

Marx Ich glaube, das ist wohl das Einzige, was sich in 40 Jahren nicht verändert hat.

DAS GESPRÄCH FÜHRTEN ANDREAS GRUHN UND LISA KREUZMANN.

(RP)
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