Mönchengladbach Experten für Stabheuschrecken

Mönchengladbach · Die Schüler der Förderschule Dahlener Straße haben seit vier Wochen neue Klassenkameraden: sechs Insekten.

 Tiergeschützte Pädagogik: In der Förderschule an der Dahlener Straße werden Stabheuschecken im Klassenzimmer gehalten.

Tiergeschützte Pädagogik: In der Förderschule an der Dahlener Straße werden Stabheuschecken im Klassenzimmer gehalten.

Foto: Detlef Ilgner

Es gibt verschiedene Arten der Tarnung. Schüler versuchen zum Beispiel bei einer unangenehmen Frage, möglichst so zu wirken, als seien sie gar nicht da. Bloß keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Stabheuschrecken haben einen andere, viel bessere Methode der Tarnung entwickelt: Sie sehen aus wie kleine trockene Zweige. Erst wenn sie sich bewegen, erkennt man sie als Lebewesen. Mit diesen Meistern der Tarnung teilen die Mittelstufenschüler der Förderschule Dahlener Straße Schwerpunkt Geistige Entwicklung seit ein paar Wochen das Klassenzimmer. Es sind faszinierende Klassenkameraden.

Die Schüler mögen ihre neue Gefährten, die in einem Terrarium leben. Daniel, Kes und Tatjana haben sich zu Experten für die Insekten entwickelt. "Wir geben ihnen Brombeerblätter zu fressen, wechseln das Wasser und sprühen den Boden nass", erklärt Tatjana. "Zuerst dachte ich, die Stabheuschrecken beißen, aber heute habe ich sie zum ersten Mal ohne Handschuhe angefasst." Auch Kes hat inzwischen keine Angst mehr vor den Tieren und Daniel hat der größten Stabheuschrecke einen Namen gegeben. "Ich habe ihn Roberto genannt", sagt der 13-Jährige.

Auch die anderen Schüler haben inzwischen ihre Scheu vor den Heuschrecken überwunden. "Wir haben mit Grillen angefangen, die die Schüler in Becherlupen beobachtet haben", erklärt Julia Wiflling, die in der Klasse Sachkunde unterrichtet. "Dabei haben sie auch den rücksichtsvollen Umgang mit den Tieren erlernt." Dann bezogen die Stabheuschrecken das Terrarium, das von der Bezirksvertretung Süd finanziert wurde. Bezirksvorsteherin Barbara Gersmann vermittelte auch die Zusammenarbeit mit dem Tierpark Odenkirchen, wo die Förderschüler und ihre Lehrer in die Kunst der Heuschreckenhaltung eingeführt wurden. "Stabheuschrecken eignen sich gut für die Haltung im Klassenzimmer, weil sie wenig Pflege benötigen", erklärt Schulleiter Walter Gans. "Aber die Schüler können alles, was mit Lebewesen zu tun hat, aus der Nähe beobachten." Das ist nicht nur interessant, es fördert auch das Selbstbewusstsein der Schüler, die Defizite im kognitiven und im Wahrnehmungsbereich haben. "Unsere Experten haben neulich den älteren Schülern die Stabheuschrecken gezeigt und haben sie auch auf die Hand genommen, was sich die Älteren nicht getraut haben", erzählt Julia Wifling. "Die drei waren sehr stolz."

Geht es nach dem Schulleiter, wird das erfolgreiche Projekt auf die ganze Schule mit ihren immerhin 138 Schülern ausgeweitet. "Über Tiere kann man viel erreichen", sagt er. "Tiergestützte Pädagogik funktioniert im Förderschulbereich besonders gut." Deshalb hat die Schule auch einen Schulhund namens Toni, der regelmäßig zu Besuch kommt. Und die Heuschrecken, die sich vermutlich munter vermehren werden. Eier haben sie schon gelegt.

(RP)
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