Mönchengladbach Europacup gegen Rotterdam: "Das war Krieg"

Mönchengladbach · Siggi Moossen war 13 Jahre lang als "Fanpolizist" hauptamtlich Ansprechpartner für Borussia und ihre Anhänger, in der ganzen Bundesliga bekannt. Seit 2004 hilft der Kriminalhauptkommissar im Ruhestand mit seiner Erfahrung im Ordnungsdienst des Vereins.

Borussia Mönchengladbach: Siggi Moossen war Fanpolizist
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Siggi Moossen - Fanpolizist bei Borussia Mönchengladbach

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"Mutig und energievoll": das stand 1964 in der ersten dienstlichen Beurteilung Siegfried Moossens. Doch auch er hat schon mal Angst gehabt: Bei Borussias beiden Europapokal-Spielen im März 1996 gegen Feyenoord Rotterdam. "Das war schon fast wie Krieg", sagt der "szenekundige Beamte" (im Polizeijargon kurz SKB) von damals.

Beim Hinspiel in Düsseldorf hatten Hooligans und gewalttätige "Fans" die Altstadt verwüstet und auf dem Weg ins und dann im Rheinstadion gewütet. 180 Busse allein aus den Niederlanden hat die Polizei damals gezählt. Nach dem 2:2 dort wurde es dann beim Rückspiel in Rotterdam trotz eines gewaltigen Aufgebots von Polizei und Ordnungskräften nicht weniger schlimm. Borussias Anhang, jedenfalls der gewalttätige Teil, unter anderem in drei Sonderzügen angereist, rastete aus: schon vor und erst recht nach Gladbachs 0:1-Niederlage. "Das war eine Katastrophe", sagt Siggi Moosen. Und er meint nicht Borussias Ausscheiden im Viertelfinale des Cups der Pokalsieger.

Es waren Szenen, die der "aufgeschlossene" (auch das steht in seiner Beurteilung von 1964) Polizeibeamte nicht vergisst. Doch sie sind eine Ausnahme in seiner 40-jährigen Dienstzeit geblieben, deren letze 13 Jahre er als hauptamtlicher "Fan-Polizist" gearbeitet hat. "Siggi", wie ihn alle Welt statt Siegfried nennt, hat auch diesen Job gerne gemacht, ebenso wie all die Jahre zuvor als Streifenpolizist, im Innendienst oder schließlich als Kriminalbeamter.

Bekannt geworden über den Schutzbereich Rheydt und den Bezirk Giesenkichen hinaus aber ist er durch den Dienst in den Fußballstadien. Siggi Moossen habe dort "als einer der bekanntesten deutschen Fan-Polizisten durchaus Maßstäbe gesetzt", sagte der damalige Mönchengladbacher Polizeipräsident Dr. Walter Büchsel, als er ihn 2004 verabschiedete. Bekannt und beliebt unter anderem auch, weil er dafür gesorgt hat, dass die szenekundigen Beamten bei Gesprächen mit den Fans bundesweit nicht mehr in Uniform auftreten: "Das hat anfangs ziemlichen Gegenwind gegeben", erinnert sich Moosen. "Aber die Fans haben es so gewollt - und dann war es bald nicht mehr anders vorstellbar."

Miteinander sprechen, überzeugen, sich gegenseitig respektieren und nicht draufhauen: Das ist die Linie Siggi Moossens und seiner Kollegen im Fanpolizei-Job wie Helmut Gaden, Rüdiger Jenke oder Frank Mitschkowski. Moossen kannte sehr viele Fans: die ganz überwiegende Mehrzahl der friedlichen, die Fußball gucken und sich freuen wollen, dann die "bedingt gewaltbereiten" und schließlich diejenigen, die Spaß am Prügeln haben. Die Polizei ordnet sie in drei Kategorien ein: von A (friedlich) bis C (prügelbereit oder gar gezielt darauf aus). "Die aus der Kategorie A sind auch schon mal zu uns gekommen und haben im Vorfeld um Hilfe gebeten, wenn sie wussten, dass es Ärger geben könnte", erzählt Moossen. "Da haben wir, wenn es bestätigt war, mal einen ganzen Bus mit gewaltbereiten Fans abgefangen und zurück nach Hause eskortieren lassen."

Er kennt nicht nur die Stadien der Bundesliga und andere, etwa in Rotterdam, London, Athen oder Monaco, wohin er Borussias Fans als Szene-kundiger Beamter begleitet hat, sondern auch andere Arenen: Bei Länderspielen der deutschen Nationalmannschaft waren sein Wissen und seine Erfahrungen gefragt. Und nach der Wende war er zweimal eine Woche in den neuen Bundesländern unterwegs, um Kollegen und Vereine dort auf den Umgang mit Fans vorzubereiten. Schlägereien, Diebstähle, bis hin zum Landfriedensbruch (Straftaten aus der Menge heraus): Das ist das Spektrum der 150 bis 200 Fälle pro Jahr, die im Borussia-Park für die Polizei anfallen. Doch damit ist es nicht getan. Es gilt auch, die Fanszene zu beobachten, Kontakt zu halten, geplante Aktionen rechtzeitig zu erkennen und zu reagieren.

Siggi Moosen ist inzwischen 68 und auch nach seinem Ausscheiden aus dem Polizeidienst mit 57 Jahren weiter dabei, wenn im Borussia-Park Bundesliga-Tag ist. Seit 2004 hat er beim Verein einen Teilzeit-Job im Ordnungsdienst, ist bei den Vorbesprechungen mit den früheren Kollegen dabei und sitzt bei den Spielen im Leitstand der Polizei im dritten Stock der Tribüne, von wo aus das Geschehen auf den Rängen mit Filmkameras beobachtet und festgehalten wird. "Die Hooligans sind inzwischen nicht mehr das Hauptproblem, ihre Zahl ist deutlich geringer geworden", sagt Moossen. Mehr geworden sind die Ultras, auf die wir zunehmend achten müssen." Die Zahl der szenekundigen Beamten ist übrigens längst aufgestockt worden: von zwei auf vier.

Angst haben vor Gewalt muss Moossen nicht, zumal jetzt, wo er die Szene aus der Ferne beobachtet. Und wirklich Angst gehabt hat er ja nur damals gegen Rotterdam, nicht einmal bei den Spielen gegen Köln, auch wenn es da schon mal ziemlich hart zuging. Seine Dienstwaffe, die hat er überhaupt nur zweimal in den 13 Jahren als Fan-Polizist dabei gehabt: nach der Wende bei Spielen im Osten. Sonst ist die Pistole immer zu Hause geblieben: "In der Masse der Fans zu schießen, das wäre doch viel zu gefährlich."

(RP)
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