Mönchengladbach Erst nachdenken, dann absenden

Mönchengladbach · Im Zuge der Präventionsarbeit gegen sexuelle Gewalt wird das Kollegium der Bischöflichen Marienschule sensibilisiert.

Internet, soziale Medien und das allgegenwärtige Smartphone bieten ganz neue Formen des sexuellen Agierens, und zwar nicht nur der erwünschten Art. Sexting, das Versenden erotischer Selbstaufnahmen, Stalking und Cybermobbing sind Risiken, denen Kinder und Jugendliche im Netz ausgesetzt sind. Und Lehrer sollten wissen, wie sie mit den Themen umgehen: präventiv im Unterricht oder auch persönlich bei an sie herangetragenen Fällen. Das Lehrerkollegium der Bischöflichen Marienschule wurde jetzt wie alle Kollegien der zwölf bischöflichen Schulen des Bistums Aachen von Experten geschult.

Julia von Weiler, Psychologin und Geschäftsführerin des Vereins Innocence in Danger, der die Schulungen durchführt, schilderte einen Fall, der sich gerade an einer Berliner Schule zugetragen hat. Einer Eliteschule, wie sie betonte. Ein elfjähriger Junge bedrängte seine Mitschülerinnen in den Parallelklassen sexuell massiv, und zwar über die digitalen Kanäle. Das ging so weit, dass die Mädchen unter Schlafstörungen litten und schließlich Hilfe suchten. "Er hat am Tag und in der Nacht Botschaften geschickt", berichtete die Psychologin, die zur Krisenintervention hinzugezogen wurde. Für Täter seien die digitalen Medien ein Traum, sie können signalisieren: "Ich bin immer bei dir". "Sie haben zu jeder Zeit direkten und ungestörten Kontakt", erklärte Julia von Weiler. Für die Opfer kann das zum Alptraum werden.

Was können Lehrer in solchen Fällen tun? An wen können sie sich wenden, wen können sie ins Boot holen? Eltern, Freunde, Mitschüler? Im geschilderten Fall war es besonders schwierig, weil die Eltern des Jungen die Sache herunterspielten. "Daraufhin hatten die Mädchen ein schlechtes Gewissen", sagte Julia von Weiler. So sollte es nicht sein.

Der Umgang mit solchen Situationen ist immer schwierig, die allgemeingültige Lösung gibt es nicht. Aber es ist wichtig, die Pädagogen zu sensibilisieren, damit sie Warnsignale erkennen und richtig einordnen. "In jeder Klasse in Deutschland sind durchschnittlich zwei Betroffene", sagte die Expertin mit Verweis auf einschlägige Studien. Den Ansatz des Bistums Aachen, alle Lehrer bei diesem Thema fortzubilden, nennt sie vorbildlich. "Die Schule ist für Kinder und Jugendliche ein wichtiger Ort, um sich Hilfe zu holen", unterstrich sie. Und sie warnte, die digitale Anwenderkompetenz von jungen Menschen nicht mit Lebenskompetenz zu verwechseln. Dass ein vertrauensvoll versandtes Foto vom Empfänger geteilt und immer weiter verbreitet wird, sei ihnen nicht immer bewusst. "Dann kommt es sogar noch zur Schuldumkehr", sagte von Weiler. "Das Opfer soll plötzlich selber schuld sein." Deshalb ist Präventionsarbeit in den Schulen, und zwar in möglichst vielen Unterrichtsfächern, so wichtig. "Denk nach, bevor du sendest", erläuterte die Psychologin das Motto der Prävention.

Die jetzige Schulung war Teil der zweiten Phase des Präventionskonzepts des Bistums. In der ersten Phase wurden alle Mitarbeiter für das Thema Sexuelle Gewalt sensibilisiert. Jetzt soll vertieft werden. "Der Wunsch nach dieser Fortbildung kam aus den Kollegien", so Almuth Grüner, die Präventionsbeauftragte des Bistums. "Die Lehrer müssen auf dem aktuellen Stand sein", ergänzte Julia von Weiler. "Damit die Schüler die Hilfe bekommen können, die sie brauchen."

(arie)
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