Mönchengladbach Erinnerung an das Leben im Holocaust

Mönchengladbach · Ruthy Sherman ist die Tochter der Holocaust-Überlebenden Hilde Sherman-Zander, die in Wanlo geboren wurde. Zusammen mit ihrer Nichte berichtete sie im Gymnasium Odenkirchen von den schrecklichen Erlebnissen ihrer Mutter.

 Ruthy Sherman und ihre Nichte Martha Birmaher erinnerten im Gymnasium Odenkirchen an die Erlebnisse der Holocaust-Überlebenden Hilde Sherman-Zander, die 1923 in Wanlo geboren wurde.

Ruthy Sherman und ihre Nichte Martha Birmaher erinnerten im Gymnasium Odenkirchen an die Erlebnisse der Holocaust-Überlebenden Hilde Sherman-Zander, die 1923 in Wanlo geboren wurde.

Foto: Detlef Ilgner

Es ist vollkommen still in der Aula des Gymnasiums Odenkirchen, als Ruthy Sherman über die schrecklichen Erlebnisse ihrer Mutter berichtet. Die in Israel lebende Jüdin ist nach Mönchengladbach gekommen, um an den Holocaust zu erinnern, damit er nie vergessen wird. Doch es ist nicht nur ein Besuch, um gegen das Vergessen zu kämpfen. Ruthy Sherman wandelt auf den Spuren ihrer Mutter Hilde Sherman-Zander. 1923 in Wanlo geboren, wuchs sie in Wickrathberg auf und heiratete am 6. Dezember 1941 den Korschenbroicher Juden Kurt Winter. Vier Tage später wurde das junge Paar nach Riga deportiert. Vier Monate später wurde Kurt Winter von den Nazis ermordet. Auch der Rest der Familie Zander wurde deportiert. Hilde Zander war die einzige ihrer Familie, die den Holocaust überlebte. Ihre Erlebnisse schrieb sie in einem Buch nieder.

Der Weg nach Riga begann für Hilde Zander im Düsseldorfer Schlachthof. Gegen Kriegsende war sie eine der von den Nazis inhaftierten Insassen des Lagers Hamburg-Fuhlsbüttel. In einem Todesmarsch trieben die Nazis die Insassen vom 15. bis 19. April zu Fuß ins Arbeitserziehungslager Nordmark. Diesen Weg ging Ruthy Sherman zusammen mit ihrer Nichte Martha Birmaher und 150 Überlebenden und Angehörigen von Opfern beim "Marsch des Lebens" nach. Unterwegs traf sie den Enkel des letzten Lagerleiters des KZ Fuhlsbüttel, der auf Knien um Vergebung bat. Ruthy Sherman nahm ihn in den Arm. "Ihn trifft keine Schuld. Ich habe keinen Hass auf ihn", sagt sie. Als sie den Schülern von ihrer Mutter erzählt, kommen ihr Tränen.

Viele hätten damals einfach weggeschaut und so dazu beigetragen, dass in den Lagern Millionen Menschen ermordet wurden. Für ihre Nichte Martha, die in den USA lebt und zum ersten Mal nach Deutschland kam, war es ein schwerer Weg. Für sie war Deutschland vor der Reise das Land der Täter, die ihre Familie ermordeten. "Ich wollte nicht herkommen. Nun bin ich froh, es getan zu haben. Zu sehen, dass sich junge Menschen mit dem Thema beschäftigen, macht mich glücklich", sagt sie. Eine Gruppe des Gymnasiums Odenkirchen wird eine Studienfahrt nach Auschwitz machen. "Es wird ein schrecklicher Trip werden", kündigt Martha Birmaher ihnen an. Die Schüler erklärten den beiden Angehörigen von Hilde Zander, dass sie sich nicht nur mit der Vergangenheit beschäftigen. Tote Flüchtlinge im Mittelmeer und angezündete Asylbewerberheime seien Themen, über die man nicht hinweggehen dürfe.

"Ihr seid nicht schuldig", lobte Martha Birmaher das Engagement der Schüler. Der Generation ihrer Großeltern zu vergeben, falle ihr deutlich schwerer. "Es ist wichtig, dass wir hergekommen sind. Wir zeigen, dass wir noch immer hier sind", sagt Ruthy Sherman. "Wenn jemand Hilfe braucht, dann reicht ihm die Hand - überall. Die Welt ist im Moment völlig durcheinander", forderte sie die Schüler auf. Sie selber hat zwei Söhne. Einer ist Autist. "Unter Hitler wäre er umgebracht worden", sagt sie. In Israel lebt sie seit 1987. Zuvor war Kolumbien ihre Heimat. Dorthin war Hilde Zander, nachdem sie nach Schweden entkommen und nach Kriegsende den lettischen Juden Willy Sherman geheiratet hatte, ausgewandert. Die letzten Lebensjahre verbrachte Hilde Sherman-Zander, die vor vier Jahren 88-jährig starb, ebenfalls in Israel. Dort lebte sie seit 1995.

Abgerundet wurde der Besuch von Ruthy Sherman und Martha Birmaher durch einen Besuch am Elternhaus in Wickrathberg. Dort erinnern Stolpersteine an die Familie Zander. Ihre Geschichte kann im Buch "Zwischen Tag und Dunkel. Mädchenjahre im Ghetto" nachgelesen werden.

(cli)
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