Mönchengladbach Er macht die Füße schön

Mönchengladbach · Der Podologe Jörg Bernardy hat seine Praxis in der Rheydter Innenstadt. Am häufigsten behandelt er Hühneraugen. Seine Patienten sind zwischen 13 und 90 Jahre alt. Nicht immer passe ein Fuß zum sonstigen Erscheinungsbild, sagt er.

 Jörg Bernardy bei seiner täglichen Arbeit. In seiner Praxis für Podologie kümmert er sich um die Füße seiner Patienten.

Jörg Bernardy bei seiner täglichen Arbeit. In seiner Praxis für Podologie kümmert er sich um die Füße seiner Patienten.

Foto: Isabella Raupold

Sie kommt zu Fuß. Na, klar. Auch mit 86 vertraut Waltraud Herten ihren Füßen. Wobei: "Ich bin froh, dass ich noch so laufen kann. Aber im Augenblick sind die ziemlich ramponiert wegen der Hitze." Umstandslos setzt sie ihre Handtasche neben dem Behandlungsstuhl ab und macht es sich bequem. "Nun werden sie wieder schön gemacht." Sie kokettiert ein wenig - mit Freude: "Heute sind meine Füße alt und sehen klein und mager aus. Die sind watt knubbelig. Aber früher waren sie schön."

Der Podologe Jörg Bernardy trägt bereits Mundschutz und zieht Einmalhandschuhe über. Er kennt seine Patientin schon eine ganze Weile: "Irgendwas Besonderes heute? Tut nix weh?" Nach einer kurzen Pause fügt er hinzu: "Oh, ich habe eine Druckstelle entdeckt. Ein kleines Hühnerauge. Hat das nicht gedrückt?" "Nee, ich bin unverwüstlich", kommt es lapidar zurück.

Zum Einsatz kommen bei Waltraud Herten ein "Kopfschneider" zum Entfernen der Nägel und ein Gerät, das an einen Dremel aus dem Baumarkt erinnert: "Damit fräse und entgrate ich, und trage Hornhaut ab." Geräusche macht das Fußpflegegerät wie ein Bohrer beim Zahnarzt. Je nach Bedarf greift der Fachmann für Füße auch auf sein Skalpell mit den verschiedenen Klingen und das "Doppelinstrument" zurück. Damit werden die seitlichen Nagelränder saubergemacht. Die benutzten Instrumente landen in einer Schale, ähnlich wie in einem Operationssaal.

Diesmal dauert die Behandlung kaum 30 Minuten, sie kann aber auch schon über eine dreiviertel Stunde gehen, "wenn zum Beispiel noch Hornhaut abgetragen werden muss." Die Seniorin sagt es zufrieden so: "Die Füße freuen sich." Bevor Jörg Bernardy seine nächste Patientin empfängt, kehrt er die Nagelreste zusammen und legt ein frisches Behandlungsbesteck bereit. Hygiene ist in seiner Praxis für Podologie oberstes Gebot: "Wir nutzen ein mehrstufiges Verfahren für die Sterilisation des Bestecks, das zu diesem Zweck auch eingeschweißt wird." Bernardy betreibt seine Praxis Fussfit nahe der Rheydter Innenstadt seit beinahe zehn Jahren. Nach einer Phase der Arbeitslosigkeit hat der gelernte Betriebswirt bei der Diakonie in Düsseldorf hospitiert, weil er ursprünglich Heilpraktiker werden wollte: "Aber dann habe ich dort den Beruf des Podologen kennengelernt." Bereut hat er seine Entscheidung nicht. Zu seinen Patienten pflegt er ein durchaus familiäres Verhältnis, ähnlich einem Frisör. Auch Jörg Bernardy erfährt viel Privates: "Ob es nun um die Einschulung der Enkelin geht, oder wer in der Familie gerade erkrankt ist."

Seither sieht er am Tag rund ein Dutzend Patienten. Die jüngste ist 13, die ältesten sind um die 90 Jahre alt. Meist behandelt er Clavus Durus: Hühneraugen. Der überwiegende Teil der Patienten kommt mit einer Heilmittelverordnung - Diabetiker mit Schäden an den Füßen. Wie der Patient, der sich gerade von Bernardys Kollegin Elke Miehle behandeln lassen wollte. Allerdings schickte sie ihn gleich zum Arzt. "Der Mann hat ein großes Loch unter dem Fuß. Diabetiker merken durch die neurologischen Schäden am Gewebe so etwas nicht", erklärt der Podologe die fürsorgliche Entscheidung, "die Gefahr einer Infektion ist zu groß. Im Zweifelsfall kann es sogar zur Amputation kommen."

Jörg Bernardy ist nichts Menschliches fremd. Weder ekelt sich der 52-Jährige vor Gerüchen noch vor Sekreten. Er habe keine Berührungsängste. Da sei er schmerzfrei. Und er hütet sich längst, von der äußeren Erscheinung her auf die Füße zu schließen: "Da kommen welche wie aus dem Ei gepellt und dann sieht man ihre Füße", schüttelt er den Kopf. Sein Blick lässt keinen Zweifel, was er meint. Das warme Wetter ist für ihn die beste Zeit für seine ganz eigene Bestandsaufnahme der Gladbacher Füße. Seinem Podologenblick entgeht nichts, was sich nackt in Sandalen versteckt: "Dann denke ich oft, der oder die könnte mal zur Fußpflege gehen."

Warum die Menschen so wenig Acht geben auf ihr wichtigstes Fortbewegungsmittel, darüber muss der gebürtige Düsseldorfer nicht lange nachdenken: "Das liegt daran, dass sie so weit weg sind vom Kopf. Und meist in Socken und Schuhen versteckt werden." Leider kämen viele, "wenn es schon zu spät ist und wundern sich dann, was sie alles haben." Stattdessen sollten Füße regelmäßig inspiziert und gepflegt werden, schließlich müssen sie ja lange halten. Jörg Bernardy empfiehlt, sie mehrmals die Woche einzucremen. Ein Rat, den er selbst befolgt. Er ist gerade mit seiner Frau von einer 500 Kilometer Wanderung über den Jacobsweg zurück, ohne Blasen an den Füßen: "Wir haben vor den Tagesetappen mit Hirschtalg eingerieben. Und auch danach."

Die Ausbildung zum Podologen, medizinischen Fußpfleger, dauert in Vollzeit zwei Jahre, aber sie kann auch in Teilzeit absolviert werden. In jedem Fall muss sie aus eigener Tasche finanziert werden, immerhin runde 10.000 Euro. Das mag auch der Grund sein, so Bernardy, "warum es kaum Nachwuchs gibt. Die Podologen in Mönchengladbach sind allesamt überlastet; auch weil im vergangenen Jahr einige Praxen geschlossen haben." Bei der Verabschiedung hatte Waltraud Herten für ihren Podologen dementsprechend einen guten Rat parat: "Kommen Sie gut durch den Sommer - wir brauchen gute Füße."

(akue)
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