Mönchengladbach Eine Stunde Auszeit im Zirkus

Mönchengladbach · Wenn aus Kindern der Förderschule in Mönchengladbach Clowns und Seiltänzer werden: Ein Besuch beim Zirkusprojekt Fantasia.

 Alle Beteiligten in der Manege und drum herum hatten sichtlich Spaß an der Aufführung.

Alle Beteiligten in der Manege und drum herum hatten sichtlich Spaß an der Aufführung.

Foto: Jörg Knappe

Mystische Musik erfüllt die Manege. Ein Mädchen in einem bunten Kostüm mit zwei riesigen, roten Fächern betritt die Manege und lässt die Fächer zur Musik kreisen. Sie bleibt nicht lange allein. Nach und nach folgen weitere Kinder mit Rollstuhl und ohne. Auch sie tragen zwei große Fächer in Rot und Gelb und formen Figuren. Nach und nach rahmen sie das Mädchen in der Mitte ein, begleitet vom rhythmischen Klatschen des Publikums. Es ist die zweite Generalprobe des Zirkusprojektes Fantasia in der Förderschule Mönchengladbach.

"Es war ein Abenteuer. Es soll auch einen inklusiven Aspekt haben", sagt Schulleiter Thomas Hermann. Zirkus Fantasia führt die Artisten und die Zuschauer in eine andere Welt. Die Kinder tauchen ein in diese Welt aus Klängen und Farben und lassen ihrer Fantasie freien Lauf. "Kinder, die sonst unkonzentriert sind, können sich auf einmal Texte merken oder sich auf einen komplexen Bewegungsablauf konzentrieren. Kinder, die im Rollstuhl sitzen, sind plötzlich Teil eines Teams und mitten drin. Manchmal habe ich gedacht, wir schaffen es nicht", sagt Sabine Baum, Lehrerin der zweiten Klasse.

Doch weit gefehlt, die kleinen Clowns sind textsicher und spielen, was das Zeug hält. Ein kleiner Clown auf einem kleinen Fahrrad kommt in die Manege. "Ich kann einen Apfel vom Kopf schießen",tönt er und dreht wieder eine Runde mit dem Rad. Er bleibt stehen und schaut sich um. "Aber ich brauche einen Freiwilligen! Dich", sagt er und zeigt auf einen zweiten Jungen im Clowns Kostüm. "Pass auf! Ich gehe jetzt fünf Schritte in diese Richtung, dann drehe ich mich um und schieße dir die Banane vom Kopf", sagt er und gibt seinem Partner eine Banane. Er dreht sich um und fährt los. Gleichzeitig schält der Junge im Hintergrund die Banane und hält sie auf dem Kopf, als sein Mitspieler sich umdreht. "Was machst du?", fragt dieser. "Das ist eine Schälbanane", antwortet er. Als er sich nun wieder umdreht, isst sein Spielpartner die Banane auf. "Was machst du?", fragt der Schütze entsetzt. "Ja glaubst du denn, ich bin so doof und lass mir von dir die Banane vom Kopf schießen", ist die prompte Antwort. Beide können sich ein Lachen jetzt nicht mehr verkneifen. Das Publikum ebenfalls nicht und applaudiert. "Dieses Projekt macht mit den Kindern ganz viel! Viele wissen um ihr Handicap und nehmen wahr, dass sie anders sind und nicht die Dinge können, die andere Kindern können. Sich zu präsentieren und Applaus zu bekommen stärkt ihr Selbstbewusstsein. Viele sind über sich hinaus gewachsen", erzählt Sabine Baum.

Diesen Stolz merkt man den Kindern an. Sie freuen sich über jede gelungene Nummer und genießen den Beifall des Publikums. Sie sind in diesem Moment Clown, Seiltänzer, Feuerspucker. Sie schaffen es, nicht nur selbst in diese Welt abzutauchen, sondern auch dem Publikum eine Stunde Auszeit zu verschaffen.

In bunten Kostümen, die Mädchen in einem rosa Tutu, und Federschmuck auf dem Kopf betreten sie die Manege. Auch hier sind Kinder im Rollstuhl dabei. Ein Mädchen mit rosa Schirm macht den Anfang und geht an der Hand der Assistentin über das Seil. Dann platziert eine Assistentin eine Art Kissen auf dem Seil und zwei andere fahren ein kleines Mädchen im Rollstuhl an das Seil heran und legen Sie behutsam auf das Kissen. Sie schieben sie über das Seil. In diesem Moment ist es sehr still im Publikum, alle schauen dem Mädchen zu. Sie nimmt den Augenblick wahr, scheint zu merken, dass etwas besonderes mit ihr passiert, lächelt. Sabine Baum ist begeistert: "Manchmal weiß man nicht, ob und wie viel die Kinder mitbekommen. Aber in solchen Momenten ist es ganz klar."

(eba)
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