Mönchengladbach "Eine Geburt ist in keiner Weise planbar"

Mönchengladbach · Mit dem Deutschen Hebammenverband setzt sich die Familienhebamme Bernadette Nopper für eine Stärkung ihres Berufsstandes und die Sicherung der Versorgung für die Familien ein - und verteidigt die Wahlfreiheit des Geburtsortes.

 Bernadette Nopper beim Gespräch in der RP-Redaktion.

Bernadette Nopper beim Gespräch in der RP-Redaktion.

Foto: Jörg Knappe

"Früher war die Hebamme für alles rund um Geburt und Wochenbett zuständig. Mit dem medizinischen Fortschritt kam der Arzt dazu", sagt Bernadette Nopper (48). Die Familienhebamme ist Vorsitzende im Kreisverband Mönchengladbach-Viersen des Deutschen Hebammen-Verbandes (DHV), mit rund 18 500 Mitgliedern die größte Interessensvertretung der Hebammen.

 Eine Hebamme (Isabelle Rosa-Bian) untersucht in einem Geburtshaus eine Hochschwangere.

Eine Hebamme (Isabelle Rosa-Bian) untersucht in einem Geburtshaus eine Hochschwangere.

Foto: Hans-Jürgen Bauer

Bei jeder Geburt, in einer Klinik, oder anderswo, müsse eine Hebamme gerufen werden, die Anwesenheit eines Arztes hingegen sei nicht verpflichtend. "Mein früherer Chef hat gesagt: Ein guter Gynäkologe steht bei einer Geburt mit den Händen in der Hosentasche daneben", sagt Bernadette Nopper.

Die meisten Hebammen verbinden eine Anstellung mit freiberuflicher Tätigkeit. Wochenbettbetreuung findet meist freiberuflich statt. Angestellte arbeiten im Kreißsaal. Familien wünschten sich kontinuierliche Betreuung während der Schwangerschaft, bei der Geburt und im Wochenbett. In großen Kliniken ist dies wegen der Schichtdienste und der Unvorhersehbarkeit der Zahl der Geburten oft unmöglich, wenn für drei Hebammen zehn Geburten anfallen. "Eine Geburt ist in keiner Weise planbar", erläutert Nopper. Der Bedarf an Beleg-Hebammen, mit einem Vertrag über Belegbetten an einer Klinik, könne kaum gedeckt werden. Die finanzielle Belastung führe zu einem Rückgang freiberuflicher Tätigkeit. Der Beitrag für die Berufshaftpflicht-Versicherung für freiberufliche Geburtshelferinnen steigt ab Juli von circa 5300 auf 6300 Euro jährlich, für in der Schwangerschafts- und Wochenbettbetreuung Tätige von rund 360 um 20 Prozent auf rund 435 Euro. "Einzig der DHV kann eine Gruppenhaftpflicht-Versicherung anbieten", so Nopper. Derzeit obliegen den Hebammenverbänden und dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) die Verhandlungen um einen Sicherstellungszuschlag, der die Versorgung durch Hebammen sicherstellen und deren freie Berufsausübung garantieren soll. Es geht auch um die Gebührenordnung. Eine Stellungnahme des DHV zweifelt die Geltung der vom GKV erarbeiteten Vorschläge hinsichtlich der Ausschlusskriterien in der Geburtshilfe im häuslichen Umfeld an. Also in Bezug auf die Gründe, die eine Klinikgeburt notwendig erscheinen lassen. Der DHV sieht dadurch die Wahlmöglichkeiten der Familien massiv eingeschränkt, wenn es um die Wahl des Geburtsortes geht. Die Forderung des DHV: Hebammen sollen als erste Ansprechpartner für Geburtshilfe maßgeblich an der Entwicklung der Standards und Versorgungskonzepte beteiligt werden. Jetzt liegt der Fall bei einer Schiedsstelle. "Wir möchten die rechtlich garantierte Wahlfreiheit des Geburtsortes erhalten," stellt Nopper klar. Es gebe keinen Zielkonflikt mit Medizinern, sondern mit den Kassen. "Die Zusammenarbeit, sei es mit dem Gynäkologen, sei es mit dem Kinderarzt, ist optimal für die Familien. Wir wünschen den Frauen beides - Betreuung durch uns, in einer gesunden Schwangerschaft, und ärztliche Betreuung, bei medizinischen Problemen", erläutert Nopper.

Es drohe Einschränkung der Wahlfreiheit. Dabei, so Nopper, berge "eine normale und natürliche Geburt immer noch die geringsten Risiken." Die Zahl geburtshilflicher Schadensfälle sei konstant. Gestiegen sei indes die Zahl der Klagen. "Nicht die Familien klagen, sondern die Krankenkassen." Von der Klagefreude seien nicht nur Hebammen betroffen. "Es gibt kaum noch frei praktizierende Geburtshelfer unter den Ärzten ", so Nopper.

Den Hebammen fällt es zu, das Selbstbestimmungsrecht der Frau gegen das Durchgriffsrecht der Krankenkassen zu verteidigen. In einer Stellungnahme fordert der DHV eine gesellschaftliche Wertedebatte. Männer und Frauen befassten sich im Laufe einer Paarbeziehung nur relativ kurze Zeit mit Schwangerschaft und Geburt. Nopper: "Die natürliche, selbstbestimmte Geburt braucht Lobbyarbeit - wir sind ein kleiner Berufsstand. Streiken, wie die Erzieherinnen, können wir nicht, aus Rücksicht auf die Situation der Frau."

Nopper begrüßt die Unterstützung durch Elterninitiativen wie "Mother-Hood", die Hebammenarbeit mit einer "Petition gegen die wirtschaftlich optimierte Geburt" stärkt. Frauen, die sich für eine Hausgeburt entschieden, seien ihrer Sache sicher, das Problem sei, dass es nicht genug Hebammen gebe. Nopper: "In Mönchengladbach kann ich nur jeder Frau mit positivem Schwangerschaftstest empfehlen, sich selber um eine Wochenbettbetreuung zu kümmern."

(bez-)
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