Mönchengladbach Ein Verein mit großer Bedeutung

Mönchengladbach · Historiker Hans Schürings referierte im Rittersaal des Museums Schloss Rheydt über die Gründung des Volksvereins.

 Historiker Hans Schürings hielt den Vortrag.

Historiker Hans Schürings hielt den Vortrag.

Foto: Detlef Ilgner

Im Rittersaal des Museums Schloss Rheydt nahm Referent Hans Schürings die Anwesenden mit auf eine Zeitreise in das 19. Jahrhundert und gab neben der Entwicklung des deutschen Katholizismus einen Einblick in die sozialen und politischen Gegebenheiten dieser Zeit.

Der Volksverein war kurz vor dem Ersten Weltkrieg mit insgesamt 805.000 Mitgliedern und 15.000 ehrenamtlichen Helfern auf dem Höhepunkt angelangt. Der geringe Mitgliedsbeitrag von einer Mark hatte den Charakter eines Massenvereins bewirkt. Diesen immens hohen Mitglieder-Zahlen ging eine lange Krise des deutschen Katholizismus im 19. Jahrhundert voraus.

Die Säkularisierung der linksrheinischen Gebiete nach dem "Frieden von Luneville" hatte die Enteignung zahlreicher Kirchengüter zur Folge, wie die Auflösung der Benediktinerabtei "St. Vitus" 1802 in Mönchengladbach belegt. Die Folgen des Wiener Kongresses, das protestantisch geprägte Preußen und der sogenannte "Kulturkampf" ab 1871 stellten den Katholizismus im deutschen Reich vor große Herausforderungen.

Gleiches galt für die Industrialisierung mit all ihren gesellschaftlichen Konsequenzen und den entstandenen sozialen Gegensätzen. "Die Industrie hat durch die Vervollkommnung der technischen Hilfsmittel und eine neue Produktionsweise mächtigen Aufschwung genommen; das gegenseitige Verhältnis der besitzenden Klasse und der Arbeiter hat sich wesentlich umgestaltet; das Kapital ist in den Händen einer geringen Zahl angehäuft, während die große Menge verarmt", schrieb einst "Arbeiterpapst" Leo XIII in der "Enzyklika Rerum Novarum" 1891. "In Mönchengladbach kann man ab Mitte des 19. Jahrhunderts von einer Industrie-Arbeiterschaft sprechen", so Hans Schürings.

Mönchengladbach als das "rheinische Manchester" im 19. Jahrhundert: Dieser Vergleich zur einst florierenden Industrie-Stadt Englands ist nicht nur positiv, sondern in Bezug auf das soziale Elend vieler Arbeiter im 19. Jahrhundert auch negativ konnotiert. Der deutsche Katholizismus reagierte mit "engagierten Einzelpersonen, die die sozialen Missstände zu beenden versuchten", referierte Schürings. Diese Personen wirkten hauptsächlich im Umkreis von Mönchengladbach.So erwähnte er die "roten Kapläne", Heinrich Liesen und Peter Norrenberg, die sich durch die Gründung von Arbeiterinnen-Vereinen und ihre Mitgliedschaft im "Zentrum" sozialpolitisch engagierten.

Ein großer Teil des Vortrages wurde Fabrikant Franz Brandts gewidmet, der bereits 1885 durch eine erlassene Fabrikordnung die Arbeiter an der betrieblichen Verwaltung teilhaben ließ und Kapital und Arbeit zu nähern versuchte. Zudem gründete er gemeinsam mit der autoritären Führungsfigur der Zentrums-Partei Ludwig Windhorst und dem Geistlichen Franz Hitze 1890 den Volksverein für das katholische Deutschland.

Das St. Josefs-Haus, im Zweiten Weltkrieg zerstört und einst am heutigen Franz-Brandts-Park gelegen, war nicht nur Wohnhaus des Industriellen, sondern nach Hans Schürings auch das "geistige Zentrum des deutschen Katholizismus", da es die zentrale Verwaltungsstelle des Vereins gewesen war. Gründungsort war zwar Köln, aufgrund der Vorstandstätigkeit Brandts' wurde die Verwaltung nach Mönchengladbach übertragen. "Ohne die pragmatischen Bemühungen aus Mönchengladbach hätte es den Volksverein nie gegeben", so Schürings. Die Gründung und der Erfolg des Volksvereins seien Ausdruck dafür, dass Mönchengladbach im deutschen Kaiserreich sozialpolitisch eine große Rolle gespielt habe, fasste Schürings nach dem rund 80-minütigen Vortrag zusammen. Angesprochene Themen werden in den Folgevorträgen vertieft.

Am Samstag, 24. Oktober, wird die Vortragsreihe mit einem Pontifikalamt im Münster ab 10 Uhr unter Leitung von Dr. Franz-Josef Overbeck, Bischof aus Essen, fortgesetzt.

(seu)
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