Mönchengladbach Ein Plädoyer für die Demokratie

Mönchengladbach · Der Bürgerrechtler Rainer Eppelmann blickte zurück auf den DDR-Alltag.

 Bernhard Spaniol, Rainer Eppelmann, Organisator Jan Dauber (v.l.) im Gymnasium Odenkirchen.

Bernhard Spaniol, Rainer Eppelmann, Organisator Jan Dauber (v.l.) im Gymnasium Odenkirchen.

Foto: Jörg Knappe

Der Mann, der in der Aula des Gymnasiums Odenkirchen so mitreißend erzählt und sich so kämpferisch für die Demokratie einsetzt, hat einen bewegten Lebenslauf hinter sich: Rainer Eppelmann war evangelischer Pfarrer in der DDR, Mitbegründer des Demokratischen Aufbruchs, Abgeordneter in der einzigen frei gewählten Volkskammer der DDR, Minister für Abrüstung und Verteidigung und schließlich von 1990 bis 2005 Bundestagsabgeordneter. Heute ist er Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Und leidenschaftlicher Verfechter der demokratischen Staatsform, gerade weil er anderes kennt. Vor jüngeren und älteren Zuhörern berichtet er auf Einladung des Evangelischen Arbeitskreises der CDU Mönchengladbach über die DDR und das Leben in einer Diktatur.

"Ich gehöre einer Generation an, die beides erlebt hat, Diktatur und Demokratie", beginnt er. "Für Westdeutsche ist die Demokratie das Normalste auf der Welt, für mich ist das etwas ganz anderes." Er versucht, auch und gerade den Jüngeren verständlich und greifbar zu machen, was es hieß, in der DDR zu leben. Denn die wissen oft kaum etwas über den zweiten deutschen Staat. Bei Umfragen unter Schülern hielten 21 Prozent Erich Honecker für einen alten Bandleader und 18 Prozent Willy Brandt für den zweiten Generalsekretär der SED. Er erzählt, wie er nicht für die Oberstufe und das Abitur zugelassen wurde, weil er nicht in der Jugendorganisation FDJ gewesen, aber konfirmiert worden sei. Wie der Mauerbau 1961 seinen Schulbesuch mit der elften Klasse beendete: Er hatte - in Ostberlin lebend - ein Westberliner Gymnasium besucht. Er erzählt von den Arbeiteraufständen des 17. Juni. Er berichtet von standrechtlichen Erschießungen im Anschluss und den zwei Millionen, die in den nächsten neun Jahren bis zum Mauerbau fliehen. Und wie man die Mauer "Antifaschistischen Schutzwall" nannte, weil man ja nicht sagen konnte, dass man die eigenen Bürger einsperrt. "Die meisten wurden nach dem Mauerbau zu Flüsterern", stellt er fest. "Man hat sich genau überlegt, was man sagte und wem man es sagte." Die meisten hätten versucht, sich anzupassen. Aber um sich treu zu bleiben, hätte man ein Held sein müssen, Tag für Tag. Das Westfernsehen zeigte die Lebensart in der Bundesrepublik. "Wir reisten jeden Abend aus", sagt er. Und erkannten, dass der niedrigere Lebensstandard am System lag. "Neunzehn alte Männer bestimmten, was für alle gut sein sollte", sagt er. Eindrücklich Eppelmanns Erinnerungen an den 9. November 1989 und die Maueröffnung. Dann ein Appell: "Reden Sie nicht von Wende, reden Sie von friedlicher Revolution." Von Wende habe die SED gesprochen in dem vergeblichen Versuch, sich anzupassen.

(RP)
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