Serie "Gladbacher Lesebuch" (14) Ein kleines Paradies direkt vor der Haustüre

Mönchengladbach · Drei Autoren erzählen von ihrer Kindheit in Hardt, Rheydt und im Schmölderpark. Sie erlebten die 1950er und 1960er Jahre unbeschwert. Lesen Sie hier die Geschichte aus dem Schmölderpark.

 Im Winter trafen sich die Kinder, um gemeinsam im Schnee zu spielen und Schneemänner zu bauen.

Im Winter trafen sich die Kinder, um gemeinsam im Schnee zu spielen und Schneemänner zu bauen.

Foto: Schubert-Sieberichs

Der Schmölderpark in Rheydt ist einer der größten Parks in der Stadt und zu jeder Jahreszeit einfach nur schön. Bis 1949 hieß der Schmölderpark noch Kaiserpark und war nach Kaiser Wilhelm I. benannt. Später wurde er umbenannt nach dem Stifter und Förderer Carl Julius Schmölder, einem bekannten Textilindustriellen der Stadt.

1949 wurde ich geboren und möchte Sie teilhaben lassen an meiner Kindheit und Jugend am und im Schmölderpark. Mein Elternhaus steht am Bäumchesweg. Alles, was man zum Leben brauchte, fanden wir hier in unserem beschaulichen Viertel. Zwei Lebensmittelgeschäfte, zwei Bäckereien, einen Metzger, einen Zeitungsladen, ein Elektrogeschäft, einen Milchladen, zwei Schuster, zwei Friseure sowie einen Obst- und Gemüseladen. Es fehlte uns also an nichts, jeder kannte jeden und man half sich gegenseitig. Mein Kindergarten und meine Schule befanden sich ebenfalls am Bäumchesweg, ebenso wie meine spätere Lehrfirma.

Im Jahr 1964 bekamen wir schließlich unsere eigene Kirche, St. Johannes, welche leider im Jahr 2015 geschlossen und entwidmet wurde. Wir Kinder freuten uns immer auf die Nachmittage nach der Schule, die wir zu jeder Jahreszeit im Park verbrachten. Das war für uns das Paradies. Im Frühjahr und Sommer waren wir auf den Spielplätzen oder fuhren mit unseren Rollschuhen und Rollern auf der Rollschuhbahn. An heißen Tagen picknickten wir auf unseren Decken auf der Liegewiese rund um das große Planschbecken. Sonntags gingen meine Eltern mit mir ab und zu auf den Minigolfplatz direkt neben der "Vitrine", dem heutigen "Gasthaus am Schmölderpark".

Ein absolutes Highlight war es, wenn Sonntagabends der große Springbrunnen in wechselnden bunten Farben erstrahlte. An einigen Sonntagnachmittagen fanden auf dem Musikpavillon Konzerte statt, die wir mit der Familie besuchten. Wir fühlten uns so richtig wohl in unserer kleinen Welt. An ein trauriges Kapitel unserer Zeit erinnert der Soldatenfriedhof im Park. Sehr viele Soldaten und Bombenopfer fanden hier, auf dem Ehrenfriedhof, ihre letzte Ruhe. So auch meine Großmutter, die bei einem Bombenangriff ums Leben kam und dort beerdigt wurde.

Zweimal in der Woche kam der "Gemüsemann", Herr Wacker, mit seinem fahrenden Laden mit Obst und Gemüse. Er war immer gut gelaunt, und wir Kinder mochten ihn sehr. Wenn seine Glocke ertönte, liefen wir sofort hinaus und freuten uns, wenn er uns mit seinem " Dreirad-Lieferwagen" auf seiner Tour mitnahm. Das fanden wir toll, denn Autos gab es ja noch nicht ganz so viele. Manchmal im Sommer ertönte auch noch eine andere Glocke, nämlich wenn das "Eismännchen" kam. Es hieß Herr Meurer und trug immer einen kurzen weißen Kittel und eine weiße Kappe und schob seine Eiskarre vor sich her. Ein schöner Anblick war der Wagen, den zwei große, gold-glänzende Kuppeln zierten, unter denen sich das Eis befand. Dann gab es ein Eis zu zehn oder auch mal zu 20 Pfennig. Hmm, das war eine Köstlichkeit.

Es war Winter, und der Schnee hatte unseren Park in ein weißes Paradies verwandelt. Da hieß es: Schlitten raus und ab in den Park! Mit meinem Kinderfreund Josef, der mit uns im selben Haus wohnte, ging ich in den Park. Josef war ganz Kavalier und zog mich mit dem Schlitten durch den gesamten Park, was mir sehr gefiel. Kurz bevor wir wieder nach Hause mussten, bot ich ihm an, ihn auch mal kurz zu ziehen. Er setzte sich auf den Schlitten. Ich wollte gerade starten, da kam der Herr Pastor. Er zog die Augenbrauen hoch und sagte tadelnd: "Josef, schäme dich! Du lässt dich von einem Mädchen ziehen?" Also wechselten wir die Rollen, und der arme Josef musste wieder ran. Das nennt man dann wohl Pech für ihn.

Goldene Hochzeiten, runde Geburtstage, Verlobungen - alles wurde groß gefeiert, mit Musikkapelle und Kirchenchor. Und immer kam man zu meinen Eltern und bat, ob die kleine Hildegard bitte ein Gedicht aufsagen könne. Zugegeben, im Gedichte aufsagen war ich richtig gut. Schön war natürlich, dass ich dafür meistens ein schönes neues Kleidchen bekam. Das fand ich toll, und dafür lernte ich sehr gerne.

(RP)
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