Schüler verletzt: Nach Messerangriff in Wuppertal – Anklage gegen 17-Jährigen
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Schüler verletzt: Nach Messerangriff in Wuppertal – Anklage gegen 17-Jährigen

Aufgeschrieben Von Ulrich Clancett Die Zeit der einfachen Antworten ist vorbei

Mönchengladbach · Die Zeit der einfachen Antworten ist vorbei: Darüber schreibt der Jüchener Pfarrer und Regionaldekan in seinem Gastbeitrag für die RP.

Es sei ein negatives Schlüsselerlebnis gewesen, so bezeichnete es Fernseh-Anwalt Ingo Lenßen vor einiger Zeit einmal in einer Talk-Show. Er sei in seiner Heimatstadt Krefeld ins Gerichtsgebäude gekommen, wo es, wie heute überall in den Gerichten üblich, eine Taschenkontrolle gab. Wonach die Beamten der Justiz suchten, wollte er wissen. - "Nach Waffen." Die Antwort habe ihn schockiert, denn: "Für unsere Generation war einfach immer klar: Ins Gericht geht man nicht mit einer Waffe." Das tut man eben einfach nicht. Punkt.

Ich muss mir in den letzten Monaten häufiger Augen und Ohren reiben angesichts dessen, was berichtet wird. Von Sachen, "die man einfach nicht tut." Den Bundespräsidenten oder die Kanzlerin zu beleidigen. Das tut man nicht. Rettungskräfte oder Polizisten mit Gewalt daran hindern, zu helfen oder Leben zu retten. Das tut man nicht. Gaffend und filmend Menschen auf offener Straße zu belästigen, die gerade nach einem Unfall um ihr Leben ringen. Das tut man nicht. Journalisten, die ihrem Handwerk nachgehen, zu beleidigen und tätlich anzugreifen. Das tut man nicht. Eine Schlägerei auf dem Schulhof mit dem Handy zu filmen und im Netz Kapital daraus zu schlagen, anstatt helfend einzugreifen. Das tut man nicht. Menschen, die man vielleicht gar nicht kennt, öffentlich im Netz zu beleidigen und zu verletzen, nur weil sie eine andere Meinung vertreten. Das tut man nicht. Amts- und Mandatsträger des öffentlichen Lebens angreifen und verletzen, wie im vergangenen Jahr 813-mal geschehen. Das tut man nicht. Während eines persönlichen Gespräches mit dem Mobiltelefon hantieren. Das tut man nicht.

Diese Reihe könnte ich beliebig fortsetzen - aus jedem Bereich des öffentlichen wie privaten Lebens.

Was passiert da gerade bei uns? Sind das die Früchte eines falsch verstandenen Freiheitsbegriffes? Wo endet meine Freiheit? Wann darf ich einem anderen sagen: Das ist nicht in Ordnung, so geht das nicht? Und: Was ist aus einer Tugend geworden, die sich scheinbar nur noch auf schön bestickten Wimpeln internationaler Fußballspiele findet: Respekt? Oder haben wir in der Vergangenheit diesen Begriff zu weit gefasst in dem Sinne: Alles ist zu respektieren, erlaubt ist, was gefällt?!

Das Individuum und seine Entscheidung sind das Maß aller Dinge, dem sich alles andere unterzuordnen hat? Was kann noch als "Volks-Konsens" bezeichnet werden? Gibt es noch ein Fundament, auf das wir uns alle miteinander stützen können, oder ist alles einer individualistischen Beliebigkeit geopfert? Ist es das Grundgesetz mit seinen wegweisenden Einleitungssätzen, die von der unantastbaren "Würde des Menschen" sprechen?

Natürlich, werden jetzt die meisten von Ihnen sagen, dahinter, davor und daneben geht nichts. Doch Vorsicht: Gerade in den letzten Tagen und Wochen machen Menschen in unserem Land von sich reden, die all das nicht anerkennen und auch das Grundgesetz als solches als ungültig bezeichnen, weil das Deutsche Reich weiter bestehe und sie als Bürger dieses Reiches leben (wollen). Reicht da ein einfaches Kopfschütteln - oder muss man solchen Menschen schlicht und ergreifend ihre Grenzen aufzeigen? Greift man damit in ihr Selbstbestimmungsrecht ein, dessen Gut in unseren Verfassungen sehr hoch angesetzt wird?

Wenn eines deutlich wird, dann das: Die Zeit der einfachen Antworten und universellen Regelungen ist vorbei. Das hat erst Anfang der Woche das beeindruckende Fernseh-Experiment "Terror - Ihr Urteil!" gezeigt: Gesetze und auslegende Urteile kommen schnell an ihre Grenzen. Das formuliert auch Papst Franziskus immer deutlicher, indem er vor pauschalen Regelungen warnt und dringend zu intensiver Beschäftigung mit den entsprechenden Einzelfällen rät. Umso wichtiger sei es aber auch, sich auf die wirklichen Fundamente zu besinnen, die, auf denen alles ruht. Das sind in unserem Fall die Werte des vielzitierten christlichen Abendlandes, die übrigens auch unserem Grundgesetz zugrundeliegen. Sich damit jenseits aller ideologischen Scharmützel einmal wieder intensiver zu beschäftigen, wäre doch auch ein guter Denkanstoß...

(RP)
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