Mönchengladbach Die wollen nur spielen

Mönchengladbach · An der Friedrichstraße werden Helden gesucht. Im "Heroes Inn" trifft sich, wer von Mangas und Spielen angezogen wird.

Arkady Kovalev leitet das "Heroes Inn" an der Friedrichstraße. Hier gibt es Mangas, Comics und Kartenspiele.

Arkady Kovalev leitet das "Heroes Inn" an der Friedrichstraße. Hier gibt es Mangas, Comics und Kartenspiele.

Foto: Raupold Isabella

Tagsüber gehen sie zur Schule, studieren oder arbeiten in ganz und gar gewöhnlichen Berufen. Abends aber fällt der bürgerliche Umhang: Dann werden sie zu Magiern und Assassinen, Hexern und Monsterbekämpfern. Sie arbeiten mit dunklen Mächten zusammen oder entscheiden sich für das Licht. Liest sich vielleicht wie das Drehbuch einer Comicbuch-Verfilmung. Ist aber nur der ganz normale Alltag für Kunden im "Heroes Inn" an der Friedrichstraße.

Es ist Freitagabend, 18 Uhr, langsam wird der Laden voll. Das heißt: Langsam ist hier eigentlich nichts. Auf dem Sofa im Schaufenster sitzt eine Gruppe Jugendlicher und schmeißt sich Karten um die Ohren. Hinten im Laden duellieren sich 30 weitere Spieler. Magic, Yu-Gi-Oh!, Force of Will. Das kann einem jetzt etwas sagen, muss es aber nicht. Immer wieder kommen sie nach vorne geflitzt, kurz eine Frage, kurz eine Cola bestellt, dann wieder zurück zum Spieltisch.

Im hinteren Teil des Ladens sucht man vergeblich nach Regalen, hier stehen die Spieltische. Marvin (im blauen Shirt) spielt Yu-Gi-Oh!.

Im hinteren Teil des Ladens sucht man vergeblich nach Regalen, hier stehen die Spieltische. Marvin (im blauen Shirt) spielt Yu-Gi-Oh!.

Foto: Isabella Raupold

Auf dem Glastresen, in dem die wertvolleren Spielkarten ausliegen, lehnt ein junger Mann im Jeanshemd. Arkady Kovalev hat das "Heroes Inn" vor zwei Jahren eröffnet, den 31-Jährigen scheint trotz des ganzen Trubels so schnell nichts aus der Ruhe zu bringen. "Es war eine Marktlücke. Einfach aus dem Blauen heraus hätte ich den Laden nicht eröffnet", sagt er. Der kommt so gut an, dass der Keller ausgebaut werden muss. Für Turniere fahren manche Spieler sogar mehrere Hundert Kilometer nach Mönchengladbach. Einfach nur eiskalt kalkulierender Geschäftsmann ist Kovalev dann aber doch nicht. Natürlich hat auch er ein Herz für Mangas und Comics, Video- und Kartenspiele. Genau wie alle seine Kunden.

Das "Heroes Inn" ist anders. Geschäftsatmosphäre mag hier schon deswegen nicht richtig aufkommen, weil sich alle irgendwie kennen, per du sind und dieselbe Leidenschaft teilen. Das Geschäftsprinzip: Jeder kann kommen, sich an die Tische setzen und mit den eigenen Karten spielen. Theoretisch muss er dafür keinen Cent ausgeben. Aber wer kommt, gibt natürlich auch aus - und bringt Freunde mit. Viele Kunden verbringen von sich aus so viel Zeit in dem Laden, dass sie irgendwann zu Aushilfen wurden. Wie Pia Hinterholz. "Eigentlich bin ich fast jeden Tag hier", sagt die 18-Jährige mit Schottenrock und Harry-Potter-Kappe. Die Besucher im Laden sind im Alter zwischen 16 und Ende 20, mit Ausreißern nach oben wie unten. Ein Vater bringt öfter seine Tochter mit, auch sie spielt. Und das so gut, dass sie mittlerweile zur kleinen Legende geworden ist. Auch ein gewohnter Anblick: Eltern und Großeltern, die nichts als Fragezeichen im Gesicht und einen Zettel in der Hand haben, die Wunschliste des Nachwuchses fest umklammert. Domenic Wenzel ist 24 Jahre alt und studiert Wirtschaftsinformatik in Mönchengladbach. Wie viel Geld er mittlerweile schon für die Karten ausgegeben hat? Er lacht. "Zu viel." Aber Spielen verbindet eben.

Der Laden wird voller, die Stimmung immer besser. Es ist Mitternachtsverkauf und verkauft wird die neueste Erweiterung eines der am meisten gespielten Kartenspiele im Laden: Magic heißt es, Düstermond die Erweiterung. "Solche Events machen einfach immer Spaß", sagt Arkady Kovalev. Dafür hat er noch einmal aufgerüstet. Zu den Schokoriegeln, die er immer vorrätig hat, gesellen sich jetzt noch 14 Packungen Gummibärchen.

Wie lange die Nacht heute dauert, können sie im "Heroes Inn" noch nicht sagen. Turniere bis 4 Uhr morgens sind aber keine Seltenheit. Irgendwann wird die erste Pizza bestellt, manchmal geht es morgens im Kollektiv zum Fast-Food-Laden um die Ecke. Dann gehen sie wieder zur Schule, zum Studium oder zur Arbeit. Bis zum nächsten Turnier.

(lukra)
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