Mönchengladbach Die Wiedervereinigung der Möbel

Mönchengladbach · Nach der Wende haben DDR-Bürger ihre alten Möbel entsorgt und neue im postmodernen Stil angeschafft. Die Künstlerin Henrike Naumann hat diese Zeit als Kind erlebt, sie nennt ihre Ausstellung im Museum Abteiberg "2000".

 Henrike Naumann im nachgestellten Expo-2000-Raum. Im Hintergrund ist der "Traueraltar Deutsche Einheit" zu sehen.

Henrike Naumann im nachgestellten Expo-2000-Raum. Im Hintergrund ist der "Traueraltar Deutsche Einheit" zu sehen.

Foto: Detlef Ilgner

Es ist alles da: Bett, Stühle, Tische, Schränke, Fernseher, Lampen, Deko-Kram. Gäbe es eine Küchenzeile, könnte man einziehen. Theoretisch. Im großen Wechselausstellungsraum im Museum Abteiberg wird am Sonntag um 12 Uhr die Ausstellung "2000" von Henrike Naumann eröffnet. Die Besucher sollten sich auf eine außergewöhnliche Schau einstellen, in der es viel zu entdecken gibt. Und Erinnerungen dürften wachwerden, denn die ausgestellten Möbel werden so oder so jedem bekannt vorkommen. Hatten wir doch alles auch mal in der Wohnung. Stimmt. Vor der Wende. Danach ging der ganze postmoderne Kram und Schnickschnack in die ehemalige DDR.

Diese Zeit hat Henrike Naumann, die 1984 in Zwickau geboren wurde, als Kind erlebt. "Ich habe das damals gar nicht verstanden", sagt sie. "Vor allem nicht die politischen und wirtschaftlichen Zusammenhänge." Das, was im Westen out war, dieses ganze postmoderne Möbelzeugs landete eins zu eins im Osten der Republik. Beispielsweise die unsägliche schwarze Schrankwand im Wohnzimmer. Henrike Naumann hat sie im Internet gefunden und in Bergheim für die Ausstellung gekauft. Im Inneren läuft ein Band, von dem ein Kreuzberger Gangster-Rapper zu hören ist, der seine Hasstiraden loslässt. Der Typ, der von dem Salafisten Pierre Vogel (der in Bergheim lebt!) radikalisiert wurde, landete als Kämpfer in Syrien und im Irak.

 Aus dem schwarzen Schrank spricht ein radikalisierter Gangster-Rapper.

Aus dem schwarzen Schrank spricht ein radikalisierter Gangster-Rapper.

Foto: Inge Schnettler

Die Künstlerin nimmt das Milleniumsjahr als Ausgangspunkt für ihre Betrachtung der 1990er Jahre in Ost- und Westdeutschland. Ihre Ausstellung gliedert sich in drei Abschnitte: Westdeutschland links, Ostdeutschland rechts, und in der Mitte wird an den Pavillon der Expo 2000 in Hannover erinnert, deren Generalkommissarin Birgit Breuel wenige Jahre zuvor als Treuhand-Präsidentin die Abwicklung der Ost-Betriebe abwickelte. Ein Porträt der Dame hängt an der Wand.

Mittig an der hinteren Wand des Ausstellungsraums steht der "Traueraltar Deutsche Einheit". Davor zwei Kränze in Milka-Optik. Auf der linken schwarzen Schleife ist zu lesen: Der Deutschen Einheit. Auf der rechten: In stiller Trauer. Auf dem Interlübke-Schrank, der seinerzeit viel Geld gekostet und den Naumann in Hannover (!) von Privatleuten gekauft hat, stehen diverse Vasen. Und da liegt auch ein Stück Lux-Seife in Originalverpackung. "Die Trauerkränze erinnern an die falschen Versprechungen, die gemacht wurden, und die letztlich nur auf Konsum zielten", sagt die Künstlerin.

 Im Ost-Teil sind diese Möbel und Dekos zu sehen.

Im Ost-Teil sind diese Möbel und Dekos zu sehen.

Foto: Inge Schnettler

Im West-Teil der Ausstellung und im Ost-Teil bedeckt ein Vorwerk-Teppichboden mit Schwarz-Gold-Rot im Design den Boden. Und zwar im Umriss des Landes. Henrike Naumann hofft, dass die Besucher ins Gespräch kommen. Dazu dürfen sie sich auch gern auf die Sitzmöbel hocken. "Ich bin gespannt, was meine Ausstellung auslösen wird", sagt sie. Ganz sicher werden einige diverse Möbelstücke abgrundtief hässlich finden, andere werden sie lieben. Ihr Anliegen ist es, durch die Möbel politische Visionen und Illusionen darzustellen - und das deutsch-deutsche Gesamtgefühl.

Die Ausstellung wird am Sonntag, 11. März, um 12 Uhr eröffnet. Ab 14 Uhr wird zum Gespräch mit der Künstlerin eingeladen.

(isch)
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