Mönchengladbach Die Stadt hat aufzuholen

Mönchengladbach · Der neue Technische Beigeordnete Andreas Wurff spricht über die Qualitäten und die ungelösten Fragen Mönchengladbachs, über Rheydt und Gladbach, Autoverkehr und fehlendes Geld. Und er verrät, wie er sich entspannt und wohin er in der Bundesliga-Tabelle als erstes schaut.

Sie kommen aus einer Stadt, die man zu Recht als Elb-Florenz preist und die über reichlich Mittel verfügt. Mönchengladbach kann da architektonisch nicht mithalten und ist pleite. Warum wechseln Sie?

Wurff Mich reizt die Aufgabe sehr, gerade weil es viel zu tun gibt. Wenn ich durch Mönchengladbach fahre, sehe ich eine Stadt mit hervorragenden Ansätzen und Potentialen, aber auch vielen ungelösten Fragen. Ich sehe eine Stadt mit vielen Qualitäten und Eigenarten, eben eine reizvolle Stadt.

Sehen Sie eine andere Stadt, als das Mönchengladbach, das Sie aus Ihrer Jugend kennen?

Wurff Oh ja. Ich habe in Neuss Abitur gemacht. Mit meinen Eltern bin ich damals häufig zum Einkaufen nach Mönchengladbach gefahren. Das war in der ganzen Region ein Begriff. Wenn ich mir die Hindenburgstraße oder die Rheydter Innenstadt heute anschaue, habe ich nicht den Eindruck, dass Mönchengladbach im Umland noch als Einkaufsstadt so wahrgenommen wird, wie damals. Manches hat sich nicht wirklich weiter entwickelt. Mönchengladbach erscheint mir als Stadt, die aufzuholen hat, die sich in der Konkurrenz der Städte deutlicher positionieren muss.

Was sind die ungelösten Fragen, die Sie sehen?

Wurff Das fängt bei der oft zitierten Bipolarität der Stadt an. Wie kann ich die Mönchengladbacher und die Rheydter Innenstadt so ausrichten, dass jede ihr eigenes Profil entwickelt und jeder Pol seinen eigenen unverwechselbaren Charakter ausbildet, sich beide dabei auf Augenhöhe begegnen können? Die Idee, den Marktplatz in Rheydt neu zu gestalten, ist auf dem Weg dahin sicher richtig. Wie kann ich die Qualität der Hindenburgstraße verbessern? Wie kann ich auf das große kulturelle Potenzial, das es ohne Frage gibt, aufsetzen?

Ich würde die Reihe gerne fortführen: Und wie kann ich all das ohne Geld tun?

Wurff Dass die Finanzlage in den kommenden Jahren sicher noch prekärer wird, ist klar. Aber nicht jede gute Idee, muss viel Geld kosten. Als in der Berliner Friedrichstraße in den 90er Jahren in großem Stile gebaut wurde, aber noch viele Geschäfte leer standen, hat man in den Schaufenstern Kunst ausgestellt. Auch wir werden neue Wege gehen müssen. Die Tatsache, wenig Mittel zu haben, zwingt einen dazu, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Aus Dresdner Perspektive versichere ich Ihnen: Das kann innovativ und identitätsstiftend, also für die Stadt durchaus auch von Vorteil sein.

Sie haben mehrfach von der Qualität der Stadt gesprochen. Wo sehen Sie die besonders?

Wurff Beispielsweise am Abteiberg; Das Museum ist für mich als Architekten eines der bedeutendsten, aber von vielen leider so nicht wahrgenommene Bauwerke der Stadt. Auch unterhalb des Museums gibt es gute Ansätze eines Grüngürtels, der kaum wahrgenommen wird. Natürlich im Bunten Garten und im Nierszug, der noch mehr an die Stadt angebunden werden müsste. In vielen kleineren Quartieren, die einen eigenen Charme haben, von der Gründerzeit bis in die Gegenwart. Es gibt wirklich sehr viele gute Ansätze.

Wo sehen Sie besonderen Handlungsbedarf?

Wurff Ich bin natürlich noch nicht tief genug in den Themen drin und kann daher nicht mehr als Momentaufnahmen liefern: Über die beiden Innenstadtpole haben wir gesprochen. Mir fällt auf, dass Mönchengladbach eine sehr autogerechte Stadt ist. Da ist man nah am Optimum. Doch das Radwegenetz ist offensichtlich unzureichend, kaum erkennbar. Auch dafür braucht es nicht zwingend viel Geld. Die Attraktivität des Öffentlichen Nahverkehrs scheint mir ebenfalls verbesserungswürdig. Dass durch die Hindenburgstraße so viele Busse fahren, ist sicher nicht glücklich; gleichwohl bedarf es hier natürlich eines optimalen Nahverkehrsangebotes. Die Hochschule liegt mitten in der Stadt und doch abgeschnitten. Vielleicht kann man zusammenfassend sagen: Die Stadt muss ihre durchaus vorhandenen Qualitäten bewusst weiter entwickeln, um wieder zu einer deutlicheren Wahrnehmbarkeit von innen wie von außen zu gelangen.

Als was wird die Stadt von außen gesehen: Sie erzählen ja gerade sicher vielen, dass Sie hierher wechseln?

Wurff Das erste, was allen einfällt, ist Borussia. Dann kommt lange nichts. Dann der Karneval, was ich ganz schön finde, weil es für Lebensfreude steht. Nun darf man nicht zu viel erwarten, wenn man Menschen im äußersten Osten der Republik nach einer Stadt im äußersten Westen der Republik fragt. Aber die meisten verbinden mit Mönchengladbach, außer dem Genannten, erst mal wenig.

Wie haben Sie Ihr altes Bild aufgefrischt?

Wurff Ich bin mit dem Auto durch die Stadt gefahren, habe mir aber das Meiste erlaufen. Das ist sicher die beste Art, sich eine Stadt zu erschließen.

Braucht die Stadt einen Masterplan?

Wurff Ein Masterplan, oder auch ein Leitbild, ist sicher hilfreich. Wenn dieser dann auch noch durch Sponsoren finanziert wird, ist das großartig. Ebenso nötig scheint mir aber auch ein klareres Einzelhandels- und Zentrenkonzept. Da mutet mir im Stadtbild manches doch eher zufällig an. Wichtig ist bei all dem, die Bürger einzubeziehen, ihre Ideen, Wünsche und Nöte einbringen zu lassen. Das ist immer eine inhaltliche Bereicherung, ­ auch wenn nicht immer alles umgesetzt werden kann, was die Bürger sich vorstellen.

Sie werden sich die Stadt ja auch noch aus privater Perspektive erschließen: nämlich bei der Suche nach einem Haus. Werden Sie eher auf dem Land oder in der Stadt suchen?

Wurff Ich bin eher ein Stadtmensch, aber einer, der den Park am Rand des Zentrums sucht. Das wird sicher eine gewisse Zeit dauern, etwas zu finden. Mönchengladbach wird beruflich meine letzte Station sein. Also suchen wir unseren endgültigen Wohnsitz. Ich gehe nicht davon aus, dass ich danach noch mal umziehe. Sie werden gerade in den ersten Monaten viel arbeiten.

Umso wichtiger: Was machen Sie in Ihrer Freizeit?

Wurff Ich fahre gerne Rad; das Bergtrikot werde ich mir in Mönchengladbach allerdings kaum herausfahren können. Ich segele gerne, weswegen die Nähe zum Ijsselmeer natürlich willkommen ist. Entspannen kann ich auch gut, wenn ich musiziere, zum Beispiel mit meiner Tochter. Ich spiele Gitarre, sie Klavier.

Zum Schluss die Gretchenfrage: Interessieren Sie sich für Fußball?

Wurff Das klingt jetzt vielleicht etwas anbiedernd, stimmt aber: Über all die Jahre war mir Borussia immer am nächsten. Mit Fortuna Düsseldorf hatte ich es nie so. Und so gucke ich immer als erstes: Wie hat Borussia gespielt? Wo stehen sie in der Tabelle?

Na dann: Willkommen in Mönchengladbach!

Ralf Jüngermann führte das Gespräch

(RP)
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